Das wahlverwandtschaftliche Experiment lässt der in Hamburg gut bekannte Theaterregisseur Herbert Fritsch an der Staatsoper unvergleichlich gekonnt als nimmermüde Slapstick-Komödie abschnurren. In einer bombastischen Bonbonnière-Box trippeln, wippen und stolpern die Figuren als lebendig gewordenes Konfekt zwischen kleinen Ariadne-Felsen umher. Ein automatisches Cembalo spielt dazwischen im wahrsten Sinne verrückt. Der Lichtdesigner Carsten Sander gießt beißend bunte Farben hinzu. Und die preisgekrönte Kostümbildnerin Victoria Behr plustert die Weiber postbarock auf und verkleidet die schnieken Kurzhaar-Soldaten tatsächlich verfremdend als gewaltige Zottelbären.
Straff im Orchester
Der französische Dirigent Sébastien Rouland, einst Minkowski-Assistent und neuerdings GMD in Saarbrücken, greift das allemal musiknah dynamisierte szenische Gezappel auf der Bühne mit den weit hochgefahrenen, nach Streichern und Bläsern auseinanderdividierten Philharmonikern atemlos straff auf. Ein bisschen mehr Mozart-Charme und lässige Perfektion wäre noch möglich.
Wunderschöner Mozart-Gesang
Zumal sehr schön gesungen wird. Der Fiordiligi leiht die schwedische Sopranistin Maria Bengtsson ihre schwere- und schlackenlose Zauberstimme. Zwar bleiben die vokalen Zumutungen in den tiefen Passagen etwa der Felsen-Arie auch für sie ein Problem. Dafür schmilzt der Hörer ob erlesener Mixturen in der Höhe und im Pianissimo häufig dahin. Die Österreicherin Ida Aldrian singt eigentlich außer Konkurrenz, da sie erst drei Tage vor der Premiere eingesprungen ist. Aber ihre Dorabella prägt einen stimmig herb kontrastierenden Mezzo-Reiz aus und passt auch gut zum soliden Guglielmo-Bariton des Türken Kartal Karagedik.
Tenor-Lyrik und Buffo-Dämonie
Der turkmenische Tenor Dovlet Nurgeldiyev tönt als Ferrando vielleicht etwas zu kernlos weich, hat aber in der Arie Un aura amorosa einen lyrischen Glanzpunkt. Absolut brillant buffonesk agieren und singen der italienische Bass Pietro Spagnoli als „Joker“ Don Alfonso und die britische Sopranistin Sylvia Schwartz als seine vergnügungssüchtige, auch leicht dämonische Helfershelferin Despina. Das Premierenpublikum fühlt sich somit zu Recht glänzend unterhalten.
Letztlich nur Lustspiel-Theater
Es entsteht zugleich aber auch ein Defizit unter der zuckersüß wohlschmeckend konfektionierten Verpackung: Das Erschrecken über den Verrat, über die Verführbarkeit, das Gefühlschaos und die tiefenpsychologischen Seelenverletzungen bleibt hier doch nur maskenhafte Behauptung. Da kann noch so trefflich emotional gesungen werden, die Hörner noch so eindringlich die Gehörnten bekichern, der Puls der Musik noch so aufgeregt stocken oder hämmern – alles nur pralles Lustspiel-Theater. Außerdem verläppert Fritsch der Schluss: Anders als es das Programmheft beschwörend behauptet, ist es hier schließlich doch sichtlich wurscht, wer nun mit wem ...
Staatsoper Hamburg. Termine am 12., 16., 18., 23., 26. und 29. September. Karten: 040 / 35 68 68. www.staatsoper-hamburg.de
Von Christian Strehk