Mit Martina Drexler an die Kiellinie

Mein Lieblingsplatz ist dort, wo das maritime Herz der Stadt besonders kräftig schlägt. Vor allem, wenn die Sonne die Förde glitzern und die HDW-Kräne aufblitzen lässt, an dunklen Pfählen weiße Möwen ihr Gefieder putzen und Segelboote vorbeigleiten, dann erlebe ich an der Kiellinie die Stadt von einer ihrer schönsten Seiten. Das Tolle ist, nirgendwo trifft man so viele unterschiedliche Menschen – von Jung bis Alt – in Bewegung wie an der Uferpromenade: Skateboard-Fahrer, Radler, eilende Anzugträger, Ruderer, Kanufahrer oder in Shorts flanierende Urlauber. Doch die Kiellinie, an der das pralle und laute Leben während der Kieler Woche tobt, vereint aber auch alle diejenigen, die sich nach Momenten der Ruhe oder des Träumens sehnen. Von einem Strandkorb aus den Blick übers Wasser oder Passanten schweifen zu lassen, den Gedanken nachhängen können. Mich fasziniert, welche Geschichten die Kiellinie an jeder Ecke erzählen kann. Der Ostseekai präsentiert die Stadt als Kreuzfahrthafen, das Aquarium und Forschungsschiff künden von der Bedeutung der Kieler Meeresforschung. Vorbei an Landeshaus, Wasserschutzpolizei und dann am Institut für Weltwirtschaft samt Bibliothek. Kurz davor war früher der Endpunkt der Kiellinie, die 1972 ihren Namen erhielt. Die umstrittene Umbenennung des Hindenburgufers hat sie um etwa vier Kilometer anwachsen lassen – auch diese Auseinandersetzung typisch für die durch die Marine und Kaiserzeit geprägte Stadt. Jetzt erstreckt sich die Promenade von der Wik bis in die Innenstadt und entspricht damit fast genau meiner Spaziergang-Route. Am liebsten lasse ich mich zwischen den Orientierungspunkten C1 und B6 nieder, lehne am Geländer von Stegen, sitze im Café oder entspanne auf Liegen, nicht weit von dem Platz entfernt, wo im Sommer die Tango-Pärchen in der Abenddämmerung ihre Runden drehen. Die Kiellinie ist Kiel pur auf ganzer Linie.

150 Jahre Kieler Nachrichten - Mit Martina Drexler an die Kiellinie