Pflanzliches Schatzkästchen

Rund 5000 Portionen Saatgut werden im Botanischen Garten jedes Jahr in alle Welt geschickt. Mal wird das Saatgut eines gewöhnlichen Löwenzahns angefordert, mal eine Rarität aus einem neuseeländischen Hochgebirge. Die Saat aus Kiel hat einen guten Ruf. Hier sind viele Pflanzen noch nicht hybridisiert, also nicht durch Selektion verändert worden. Hier werden die tauben Samen vorher ausgelesen, sodass die Saat große Chancen hat, am neuen Standort aufzugehen. Die Natur setzt dabei allerdings Grenzen: Denn mehr als die Hälfte aller Pflanzenarten gedeiht nur in ihrer Heimat. Nur 40 Prozent sind kultivierbar und etwa zwölf Prozent tatsächlich kultiviert. Vor diesem Hintergrund sind die 14000 Arten, die im Botanischen Garten wachsen, ein ungeheurer Schatz. „Was man bei uns an Vielfalt von bis zu 120 Jahre alten Pflanzen erleben kann, kann sich der reichste Mann der Welt nicht kaufen“, sagt Gartenkustos Dr. Martin Nickol. In einem weltweiten Netzwerk kämpft man gegen die stete Dezimierung der Artenvielfalt an. „In den Tropen ist die Ausrottung der Pflanzenarten dramatisch, aber sie passiert auch bei uns“, sagt der promovierte Naturwissenschaftler. Auch hier versucht der Botanische Garten gegenzusteuern. Wenn irgendwo im Land Flächen renaturiert werden, sind die Pflanzen, die dort wieder heimisch werden, oft zuvor gerettet und vom Botanischen Garten vermehrt worden. Als zum Beispiel im Wald hinter Schloss Gottorf noch Türkenbundlinien gefunden wurden, deren Vorfahren im ursprünglichen Barockgarten standen, wurden auch sie sorgsam bewahrt und dann im neuen Barockgarten ausgepflanzt, erzählt Nickol. Zuallererst muss das Team des Botanischen Gartens jedoch dafür sorgen, dass die Professoren und Studierenden all jene Pflanzen zur Verfügung haben, die für Forschung und Lehre benötigt werden. Wenn 180 Studierende ein Zuckerrohr zerschneiden oder eine Pflanze auf ihre Inhaltsstoffe untersuchen sollen, dann müssen erst einmal zum richtigen Zeitpunkt ausreichend Pflanzen zur Verfügung stehen. „Allein die Bestimmungskurse müssen kontinuierlich mit vielen Hundert Pflanzenarten versorgt werden“, sagt Nickol. Das erfordert eine langfristige Planung, denn Pflanzen brauchen Zeit zum Wachsen. Vor allem aber muss dafür gesorgt werden, dass alle Exemplare für eine Untersuchung unter den gleichen Bedingungen angezüchtet werden – zum Beispiel was Licht, Wasser, Boden betrifft. „Aber auch sonst ist das Fachwissen unserer Gärtner gefragt. Denn manch ein Forscher kann sich nicht vorstellen, welcher Aufwand für die gewünschten Pflanzen erforderlich ist“, sagt Nickol. Neben all den wissenschaftlichen Aufgaben will das Team des Botanischen Gartens aber auch die Bürger informieren und für die Natur begeistern. Das beginnt bei der Führung für Kita- und Schulkinder und geht bis zu Fachvorträgen und handfesten Tipps für die eigene Gartengestaltung – und das alles mit knapp 13 Vollzeitstellen und elf Auszubildenden. Übrigens: In diesem Jahr feiert der Botanische Garten, dessen Urahn 1669 im Schlossgarten entstand, sein 30-jähriges Bestehen am heutigen Platz – mit dem Tag der Offenen Tür (14. Juni), der Tropennacht (10. Juli), der Orchideenschau im September und einem Skulpturensommer (ab 17. Mai).

350 Jahre CAU Kiel - Pflanzliches Schatzkästchen