Ausländische Studierende in Kiel wagen den Sprung ins deutsche Berufsleben

Viele Arbeitgeber, hat das International Center der Kieler Universität festgestellt, wüssten nicht, dass nach einer Gesetzesänderung eine Einstellung deutlich leichter geworden ist. Zweimal im Jahr bietet das International Center ausländischen Studierenden Seminare an, um sie auf Bewerbungen vorzubereiten. Die Nachfrage sei enorm gestiegen, berichtet Betreuer Jan Bensien. Sinkende Zukunftsperspektiven in den Heimatländern, finanzielle Not der Familien, eine steigende Ausländerquote – seit Jahren schon ist zu erkennen, dass ausländische Studierende auch in Kiel versuchen, ihr Studium durch Jobs oder Stipendien selbst zu finanzieren. Haben sie dann den Abschluss einer deutschen Hochschule in der Tasche, entscheiden sie sich immer häufiger, den Sprung ins Berufsleben durch eine Stelle in Deutschland zu wagen. Eine Änderung im Zuwanderergesetz ließ bereits 2005 etliche bürokratische Hürden vor allem für Ausländer außerhalb der EU fallen. Mussten sie und auch der Arbeitgeber früher noch ein kompliziertes Genehmigungsverfahren durchlaufen, genügt heute ein Antrag auf Bewilligung bei der Ausländerbehörde. Absolventin oder Absolvent haben dabei 18 Monate Zeit, eine Stelle zu finden. „Die Arbeitsagentur untersucht nur, ob der Arbeitsplatz und der Verdienst einem Hochschulabschluss gemäß sind. So will man ausschließen, dass Studierende nach dem Ende ihres Studiums für Billiglöhne arbeiten“, erklärt Bensien. Anjuta Zhovtun und Ali Raza hoffen auf eine Chance, eine richtige Arbeitsstelle zu finden. Sowohl die Ukrainierin als auch der Pakistani finanzieren sich weitgehend durch Hilfsjobs das Studium selbst. Die 30-Jährige, die in der Ukraine bereits als Lehrerin gearbeitet hat, studierte Betriebswirtschaftslehre bis zum Bachelor in Kiel und sattelte dann ein Masterstudium in Migration und Diversity drauf. Ein Jahr lang erhielt sie ein Stipendium. Daneben aber arbeitete sie als Hilfswissenschaftliche Kraft und Tutorin beim International Center, engagierte sich beim Allgemeinen Studierenden-Ausschuss und half auch schon mal beim Bäcker aus. Seit fast sieben Jahren lebt sie in Kiel. Schon vor dem Ukraine-Konflikt entschied sie sich, ihr Glück in Deutschland zu versuchen, da sie für sich keine Zukunftschance mehr in ihrem Land sah. Jetzt hofft die Studentin, bei deutschen Unternehmen als Beraterin arbeiten zu können: „Ich lebe gern hier und habe meine Freunde jetzt hier.“ Ali Raza, seit vier Jahren in Kiel, geht es so ähnlich: Nach dem Studium der Materialwissenschaft in Pakistan wollte der 27-Jährige weiterkommen in Forschung und Entwicklung. Das sei in seinem Land derzeit nicht möglich, sagt er, weder der Verdienst noch die Arbeitsbedingungen stimmten. In Kiel sitzt Raza, der hier lange Jahre Vorsitzender einer pakistanischen Studierenden-Organisation war, derzeit an seiner Doktorarbeit in Materialwissenschaft. Das größte Problem für ihn: Noch spricht er wenig Deutsch, da er einen englischsprachigen Studiengang gewählt hatte. Die Arbeitgeber jedoch, sagt Bensien, wollten gut Deutsch sprechende Arbeitskräfte. Aber sonst schon haben die beiden viel gelernt, etwa zu organisieren und zu planen, sie wissen, wie das Leben „tickt“. Deutsche Arbeitgeber, meint Zhovtun lächelnd, „sollten keine Angst vor uns haben.“ Auch Bensien spricht von einem großen Potenzial an interessanten Arbeitskräften, die durch Sprachkenntnisse und kulturellen Hintergrund Türen in ihren Heimatländern öffnen könnten. In diesem Jahr beenden etwa 100 Männer und Frauen aus dem Ausland ihr Studium an der Kieler Uni mit einem Abschluss. Infos gibt das International Center, Tel. 0431/880-3716.

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