Auto-Demo in Kiel: Weniger Verunsicherung bei Bürgern dank Auflagen

An solche Szenen müssen sich die Kieler wohl gewöhnen: Binnen sieben Tagen rollten drei Autokorsos durch die Stadt, stets mit Lautsprechern auf den Dächern, eskortiert von der Polizei. Die angemeldete Demonstration richtete sich beim ersten Mal gegen Corona-Impfungen und sorgte mit ihren Warnungen für Aufregung: Weil drei Autos, die der Demonstration angehörten, von zwei Streifenwagen mit Blaulicht begleitet wurden, entstand bei vielen Kielern der Eindruck, es handle sich bei den Durchsagen um behördliche Mitteilungen – wir berichteten. Etwa 100 Anrufe besorgter Bürger gingen bei der Polizei ein. Die Polizei und das Ordnungsamt der Stadt versprachen, die Ereignisse zu analysieren und dafür zu sorgen, dass es zu derartigen Verwechslungen nicht mehr kommen wird. Lesen Sie auch: So verunsichert waren die Kieler nach der ersten Demonstration Deshalb hatte die Versammlungsbehörde noch vor der zweiten Demonstration am vergangenen Donnerstag Auflagen erteilt: Die Lautsprecher-Durchsagen durften nicht mehr mit „Achtung, Achtung“ beginnen, deren Lautstärke musste zudem deutlich reduziert werden. Auch die Polizei veränderte ihre Strategie: Statt den Konvoi, der am Donnerstag erneut aus drei Wagen bestand, mit Streifenwagen zu begleiten, fuhr lediglich ein Motorrad hinter der Demonstration her. Mit Erfolg: Wie Polizeisprecher Matthias Felsch mitteilte, hat es während der Demonstration nur zwei Anrufe bei der Polizei gegeben, „alles war total entspannt“. Anders als am vorherigen Sonntag: „Da stand das Telefon auf den Revieren nicht still“, so Felsch. Dritte Demonstration führte durch beschauliche Wohnorte: Drei Tage später zogen die Mitglieder der Gruppe „Kiel steht auf“ erneut durch die Straßen Kiels – diesmal waren sogar 70 Teilnehmer in 30 Autos und auf drei Fahrrädern unterwegs. Bei dieser Aktion führte die Route auch durch Stadtteile wie Russee und Hassee, die eher selten Demonstrationen vor ihrer Haustür erleben. Lesen Sie auch: Ein Kommentar zu den Auto-Demos durch Kiel Nach Polizeiangaben habe es entgegen der Aussagen von Sonntag keine Anrufe bei der Polizei gegeben, wohl aber Irritationen von Anwohnern. Begleitet wurde die Auto-Demo, die diesmal über gesunde Ernährung im Zusammenhang mit dem Coronavirus informierte, allerdings wieder von Streifenwagen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Route eingehalten wird und sich der Tross nicht verfährt. Das könnte sonst zu einem Verkehrschaos führen“, sagt Felsch. Erste Demo hat kein juristisches Nachspiel: Wie eine Stadtsprecherin mitteilte, sei das Recht auf die Durchführung einer solchen Demonstration vom Grundgesetz geschützt und nicht zu unterbinden. Die einzigen rechtlichen Möglichkeiten seien Auflagen – dies sei nun geschehen. „Wir wollen keine Demonstrationen verhindern, die Leute sollen demonstrieren“, sagt auch Polizeisprecher Felsch, „es darf eben nur nicht zu Verunsicherungen in der Bevölkerung führen. Und diese größere Demonstration am Sonntag hatte einen ganz anderen Charakter.“ Ein juristisches Nachspiel hat die erste Demonstration nicht: Bei der Staatsanwaltschaft Kiel sind bis gestern keine Strafanzeigen wegen der Vorfälle am vorvergangenen Sonntag eingegangen, wie Oberstaatsanwalt Henning Hadeler auf Nachfrage mitteilte. Gleichwohl geht die Polizei nach wie vor davon aus, von den Anmeldern der ersten Demonstration instrumentalisiert worden zu sein – sie hätten das Verwechslungsszenario einkalkuliert. Beweise gebe es dafür aber nicht. Lesen Sie auch: Gefaktes Corona-Schreiben des Gesundheitsministeriums kursiert in Kiel Pflegeheime suchen Personal für Schnelltests So streng ist Schleswig-Holstein im Vergleich zu den Nachbarn Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Opposition sieht keinen Handlungsspielraum: Nach den damaligen Vorfällen erhielt auch Rainer Kreutz, Fraktionsvorsitzender der Kieler CDU, zahlreiche Augenzeugen-Videos von der Demonstration. Sofort habe er recherchiert, ob man gegen dieses Szenario nicht kommunalpolitisch etwas unternehmen könne. Sein Fazit: „Obwohl die Aussagen hanebüchen sind, ist eine solche Demonstration mit Ordnungsrecht nicht zu verhindern.“ Der pensionierte Polizist fand keinerlei Möglichkeiten, auf kommunaler Ebene etwas zu fordern – „leider“, wie er sagt. Nur mit Auflagen könne dem entgegengewirkt werden. Diese haben zumindest bei den Mitgliedern der Gruppe „Kiel steht auf“ offensichtlich für Frust gesorgt: In einem Chatforum eines einschlägigen Messenger-Dienstes beschwerten sich einige Kommentatoren über die zu leisen Durchsagen, die im Straßenlärm untergegangen seien.