Bruno Giurini aus Kiel: Ein Lebenskünstler im Unruhestand

Das Kieler Original hat die Theater- und Kunstlandschaft über ein halbes Jahrhundert mitgeprägt. Auch mit 82 Jahren wird die Farbe in seinem Atelier nicht trocken. Gerade hat er die Alte Levensauer Hochbrücke unter seinen kreativen Händen. Das Suchsdorfer Wahrzeichen leuchtet auf der Leinwand in einem knalligen Rot, aber Signore Giurini ist noch nicht zufrieden. Vor der Staffelei setzt er den Pinsel auf das Aquarell und bessert hier ein wenig nach, pointiert dort etwas. „Das Leben und die Welt sind bunt, und deshalb müssen sie in allen Farben erstrahlen“, sagt der Meister, den die Kultur des lichtdurchfluteten Südens früh geprägt hat. 1960 kam Giurini nach Deutschland: Geboren im damals noch italienischen, heute kroatischen Dalmatien an der Adria, führte der Weg Giurini 1960 nach Deutschland, wo er nach Stationen in Mannheim und Heidelberg schließlich im kühlen Kiel landete. „Hier wollte ich eigentlich nur meine Schwester besuchen.“ Doch er blieb, fand Arbeit bei der Howaldt-Werft. „Ich habe Schiffspropeller montiert. Kiel sollte mir Glück bringen, und das habe ich bis heute.“ In seiner Freizeit unterstützten die Meister Dago Kleemann und Werner Rieger das Talent des Nachwuchskünstlers, es entwickelte sich eine lange Freundschaft. Lesen Sie auch: Komödianten-Premiere: Aus Angst wird Glück Giurini arbeitete für Theater in Kiel: Der Zufall wollte es, dass das Kieler Theater, das dringend einen Bühnenmaler suchte, auf dieses Multitalent mit seinem unerschöpflichen Ideenreichtum stieß. Giurini malte, formte, klebte, sägte und kolorierte fortan 40 Jahre für die Kieler Theater. Als Bühnenbildner, -maler und -plastiker arbeitete er an über 1000 Bühnenbilder für die Oper, das Schauspielhaus und über drei Jahrzehnte für die Niederdeutsche Bühne und nebenbei noch mal 25 Jahre für die Komödianten – bis heute. „Einmal lautete der Auftrag, eine griechische Statue zu entwerfen. Als sie nach drei Wochen fertig war, waren alle hingerissen von der Ausdruckskraft des Gesichtes. Bis mir der Regisseur verriet: ,Schade, dass die Zuschauer sie nur von hinten sehen‘.“ Tausende von Schülern haben sich bei Führungen durch das Opernhaus über die Späße des Lebenskünstlers amüsiert. Er führte ihnen gern mit flinker Hand vor, was sich aus Styropor in Sekundenschnelle fabrizieren lässt. „Bis heute fertige ich gerne große, bewegliche Puppen für meine Enkelkinder“, verrät der Suchsdorfer, greift zum Objekt des Spieltriebs und führt mal eben sein Talent als Bauchredner vor. 1965 fand er seine große Liebe in der Forstbaumschule in Kiel: Es war nicht nur die Kunst und das Theater, die Giurini in Kiel hielten. Zum vollen Glück gehörte 1965 natürlich die Liebe. „Die fand ich beim Tanzen in der Forstbaumschule. Sie hieß Anita und ist seit 54 Jahren meine Ehefrau.“ Als das erste der beiden Kinder zur Welt kam, fanden die Giurinis eine adäquate Wohnung in Suchsdorf. Und genau dort lebt Bruno mit seiner Anita noch heute. Ihre Heimat Amrum weckte im Maler Giurini neue Impulse. „Du kannst die Landschaften in Italien, an der Adria nicht mit dem Wattenmeer vergleichen. Aber Schönheit findest du hier wie dort“, schwärmt der Augenmensch. Wilde Wolkenformationen, Ebbe und Flut, die Natur, die Weite, das besondere, manchmal düstere Licht des Nordens – all‘ das hat Giurini in vielen seiner Nordsee-Bilder festgehalten. „Es war klar, dass wir auch auf der Insel geheiratet haben“, meint der Mann, der den Süden und den Norden in vielen seiner Ausstellungen wie im Künstlermuseum Heikendorf vereint hat. Bei seinen Streifzügen durch Suchsdorf entdeckt er interessante Bildmotive: Sich in eine andere Kultur einzuleben und das Lebensgefühl zu erspüren – das sei eines seiner Talente, erzählt der Suchsdorfer, der bei seinen Streifzügen durch den Stadtteil immer wieder auf interessante Bildmotive stößt. „Ich gehe offen durch die Welt. Und egal in welcher Kultur: Ich mag ehrliche, offene Menschen.“ Die fand er vor langer Zeit kongenial in der Künstlergruppe „Die 3G aus Suchsdorf – Geiger, Giurini, Gnass“. Doch das mit der Identität ist ein Drahtseilakt: „Ich bin ein Friese“, witzelte er einmal bei einer Ausstellungseröffnung, aber ein Kieler ist er natürlich auch – dieser mediterrane Lebenskünstler. Auf der Niederdeutschen Bühne stand er mehrfach auf den Brettern, die die kleine, große Welt bedeuten, und mimte meist einen Italiener. Ein Buch mit niederdeutschen Gedichten hat er auch mal illustriert. Eine Erzählung daraus hat der Suchsdorfer von der Adria seiner Enkelin gewidmet. Ihr Titel: Friesenkönig Nini Popini.