Christian Zierau über die Kieler Woche 2020: Für uns alle ist das Neuland

Herr Zierau, verspüren Sie angesichts der abgespeckten Kieler Woche auch nur eine geminderte Vorfreude? Für mich ist es die zweite Kieler Woche. Die erste war besonders, geprägt von Fröhlichkeit, bestem Wetter und davon, dass die ganze Stadt in Bewegung war. Wir wissen alle, dass das in diesem Jahr nicht so sein wird und haben lange diese Entscheidung abgewogen. Ich finde es jetzt richtig, dass wir die Kieler Woche durchführen. Kiel will Vorbild für Deutschland sein, indem es als erste Stadt überhaupt eine Großveranstaltung durchführt – mit 50 000 Besuchern in zehn Tagen. Wie bewerten Sie die Gefahr, dass Kiel am Ende als schlechtes Vorbild dasteht? Wir haben die Zuversicht und die Prise Mut, die man beim Segeln braucht. Richtig ist: Für uns alle ist diese Kieler Woche Neuland. Wir sind aber gut vorbereitet und setzen auf den großen Erfahrungsschatz des Kieler-Woche-Büros. Veranstaltungen in Deutschland mussten in der Vergangenheit immer wieder Anpassungen aufgrund von schlimmen Ereignissen vornehmen: 2010 zum Beispiel die Ereignisse bei der Loveparade in Duisburg, wo Konzepte in Bezug auf Panik in Menschenmassen angepasst werden mussten, oder 2016 nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin mit massiven, sichtbaren Sperren. Nun müssen wir aus der Pandemie lernen und uns alle gemeinsam daran gewöhnen. Sie sehen also keine Gefahr? Ich denke, es kann funktionieren. Nach einem halben Jahr mit Corona-Pandemie wissen wir, dass wir uns auf einen längeren Zeitraum mit Einschränkungen einstellen müssen. Es kann jetzt deshalb nicht mehr heißen, dass wir auf Dauer alles absagen. Wir müssen stattdessen erproben, wie wir unter den Umständen und rechtlichen Rahmenbedingungen die bestmögliche Veranstaltung hinbekommen und auf spontane Entwicklungen geeignete Lösungen finden. Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter über die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Weiterer Newsletter: Kiel mittendrin. Über das Leben in der Landeshauptstadt. Verpassen Sie keine Neuigkeit mehr. Versand: Jeden Mittwoch. Hier geht es zur kostenfreien Anmeldung. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Wie wollen Sie verhindern, dass sich Menschen zu Hunderten vor den Konzertarealen oder am Rande der Förde bei der Windjammerparade tummeln? Zusammenhalt ist mit Abstand die beste Medizin – mit dem Motto appelliert die Kieler Woche an die Eigenverantwortung der Menschen. Alle kennen mittlerweile die Corona-Regeln, jeder weiß, wer zu einem Haushalt gehört und wie es sich mit Abstand anfühlt. Es ist völlig legitim, dass derjenige, der zu einer Risikogruppe gehört und die Ausrichtung der Kieler Woche unter den aktuellen Umständen nicht gut findet, zu Hause bleibt. Denen bringen wir das Programm digital nach Hause. Und falls am Ende doch zu viele Menschen an den Veranstaltungsorten zusammenkommen, setzen wir auf Ansprache. Wir informieren und kommunizieren auf allen Kanälen, die es gibt. Falls das nicht ausreicht: Wie wären die nächsten Eskalationsstufen? Wir sind für alle Fälle vorbereitet. Der Ordnungsdienst wird eng mit der Polizei zusammenarbeiten. Falls Menschen nicht auf die Ansprache reagieren, können wir Veranstaltungen unterbrechen oder im äußersten Fall auch abbrechen. Zudem sitzen wir jeden Tag zusammen und bewerten die Lage immer wieder neu. Wir stehen auch in Kontakt mit den Verkehrsbetrieben: Sollten sich doch mehr Menschen der Stadt nähern, die keine Karte für eine Veranstaltung haben, können wir darauf reagieren und geeignete Maßnahmen ergreifen. Eine weitere Neuerung ist der Einsatz von Hygienehelfern, die zwischen den einzelnen Arealen eingesetzt werden. Bei der regulären Kieler Woche, die ja sonst viel größer ist als diese, gibt es zwischen den Arealen keine Sicherheitskräfte. In diesem Jahr soll die Kieler Woche nicht zum Flanieren einladen. Wir wollen den Menschen Erlebnisse ermöglichen, aber mit viel Abstand und an dezentralen Orten. Der Ordnungsdienst hat wegen Corona viele Überstunden angehäuft. War es schwer, Ihre Mannschaft für die Kieler Woche zu begeistern? Jeder Mitarbeitende der Landeshauptstadt Kiel brennt für die Kieler Woche – das habe ich schon in meinem ersten Jahr als Dezernent festgestellt. Für einen Berliner wie mich ist das unvorstellbar, aber hier ist die ganze Stadt an diesem Thema dran – vom Grünflächenamt über die Feuerwehr bis zum Hafenamt. Wir alle freuen uns auf die Kieler Woche. Interview: Dennis Betzholz Weitere Artikel aus Kiel lesen Sie hier. 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