Corona-Jahr: Kieler Gesundheitsamt im Ausnahme-Modus

Die 36-Jährige meint die Coronazahlen, die vielen Neuinfektionen, die kurz vor Heiligabend um 80 registrierte Fälle an nur einem Tag in Kiel einen neuen Höchstwert erreichten. Sie meint die 32 Todesfälle, die seit März fast 2200 Infizierten und die aktuell rund 1000 Kieler in Quarantäne. Doch all diese Zahlen bedeuten für Könemann, die mittlerweile 130 weiteren Mitarbeiter im Gesundheitsamt sowie die zusätzlich angeforderten Bundeswehrsoldaten: jede Menge Arbeit. Sie verfolgen Kontakte nach, betreuen die Menschen in Quarantäne und zusammen mit den Hausärzten auch die Infizierten, sie helfen Schulen, Kitas, Flüchtlingsunterkünften, Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen bei der Vermeidung oder Eindämmung eines Corona-Falls. Beim Altenzentrum St. Nicolai musste gar auf einen Ausbruch mit mehr als 40 Infizierten und am Ende elf verstorbenen Bewohnern reagiert werden. Mit dem Virus auf Augenhöhe: Es gilt, hatte Gesundheitsamtsleiterin Sabine Herlitzius mal gesagt, mit dem Virus auf Augenhöhe zu bleiben. Das gelang angesichts der zwischenzeitlichen Flut an Neuinfektionen nicht immer, doch der Einsatz, den Könemann und ihre Kollegen in den vergangenen Monaten gezeigt haben, war selbst von außen betrachtet gewaltig. „Alle geben alles, um alle zu schützen“, sagt auch Könemann, „Das machen wir nicht nur für unsere Familie, sondern für alle Kieler. Mit diesem Gefühl gehen hier alle zur Arbeit.“ Natürlich arbeiten sie im Gesundheitsamt seit nun schon neun Monaten am Limit, viele Überstunden inklusive: „Jeder will das so, niemand muss.“ Lesen Sie auch: Gesundheitsamt arbeitet Soldaten ein Bevor die Pandemie ihren Lauf nahm, arbeitete Anne Könemann einige Jahre im zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes. In Kitas und Schulen kontrollierte sie die Zähne der Kinder in den Reihenuntersuchungen, ihr übergeordnetes Ziel: Jedes Kind sollte eine eigene Zahnbürste haben. Seit dem Frühjahr sind die Zahnarztbesuche in den Einrichtungen nicht mehr möglich. Sie wechselte ihren Arbeitsplatz, zog von einer Außenstelle des Gesundheitsamtes an die Fleethörn und bekam neue Aufgaben. „Alle Kräfte wurden hier gebündelt“, sagt Könemann acht Monate später. Und selbst seit der ersten Welle im März habe sich die Situation dramatisch verändert, erzählt sie: Damals betreute das Gesundheitsamt jeden Tag 170 Kontaktpersonen, wenige Tage vor Weihnachten waren es 1254. „Das sind Welten“, sagt Könemann. Immer mehr Bewerbungsgespräche: In den vergangenen Wochen und Monaten kamen deshalb immer mehr Kollegen hinzu, einige Teams haben sich gar verdoppelt – teilweise berichtete Sabine Herlitzius von 30 Bewerbungsgesprächen binnen weniger Tage, zuletzt rückten noch 30 Bundeswehrsoldaten an, um zunächst für vier Wochen bei der Kontaktnachverfolgung zu helfen. Das Amt entwickelte sich innerhalb weniger Monate zum Hochleistungszentrum der Corona-Eindämmung in Kiel. „Man lernt täglich neue Kollegen kennen. Wir sind inzwischen eine kleine“, sagt Könemann und stockt kurz, „nein, eine große Familie geworden.“ Diese Zeit habe alle sehr zusammengeschweißt. So sehr, dass so gut wie alle Kollegen ihre Bereitschaft signalisierten, an den Wochenenden und sogar über Weihnachten zu arbeiten. „Wir freuen uns, wenn durch unsere Arbeit weniger Menschen erkranken und unser aller Leben bald wieder in normalen Bahnen verläuft. Dafür arbeiten wir jeden Tag.“ Und eines Tages, wenn sich die Arbeit auszahlt, werden auch die Überstunden weniger werden und die Stunden auf der Ostsee im Optimist wieder mehr im Leben von Anne Könemann. Das wünschen ihr vermutlich alle.