Corona-Krise in Kiel: Hotels bangen um ihre Existenz

Es gebe zwar auch an der Förde eine leichte Erholung, „aber auf ganz niedrigem Niveau“. Die Entwicklung wirkt in der Tat dramatisch: Während landesweit die Zahl der Gäste im ersten Halbjahr um 46 Prozent auf 1,9 Millionen zurückging, sank dieser Wert in Kiel um 54 Prozent (86 800 Gäste). Aber selbst im Juli, als an Nord- und Ostsee die Buchungslage wieder deutlich besser war, wurde der Vorjahreswert mit knapp 31 000 Gästen um 37,8 Prozent noch sehr deutlich unterschritten. „Die Hotellerie in Kiel lebt stark vom Geschäftsreisetourismus, der in diesem Jahr ja völlig eingebrochen ist“, sagt Eva Zeiske, Sprecherin von Kiel-Marketing, die allerdings darauf hinweist, dass statistisch nur Quartiere mit mehr als zehn Betten erfasst werden. Die im Sommer besonders gut gebuchten Privatvermieter seien daher nicht berücksichtigt. Insgesamt sei die Tourismus-Lage etwas besser, als es die Zahlen zeigen. Mit großer Sorge blicken die Kieler Hotels dennoch auf die Wintermonate, die ohnehin schwächer als das Restjahr sind. „Wir haben keine Chance, die Verluste wieder reinzuholen“, sagt Böhm. Durch Corona seien Videokonferenzen zudem zur Regel geworden, weshalb die Kongress- und Tagungskapazitäten derzeit kaum genutzt werden. „Einige Firmen bleiben jetzt dabei. Das werden wir auch langfristig spüren“, fürchtet Böhm. Das besondere Problem in Kiel: Kreuzfahrtgeschäft ist zusammengebrochen: Das Hotel Birke weist auf einen weiteren Corona-Effekt hin, der den Kieler Hotels zu schaffen macht. „Dadurch, dass das Kreuzfahrtgeschäft zusammengebrochen ist, ist auch das Übernachtungsgeschäft zusammengebrochen“, sagt Chef Rainer Birke. Aber auch andere wichtige Einnahmequellen sprudeln nicht mehr. So seien 50 Hochzeitsgesellschaften in diesem Jahr angemeldet gewesen. „Sie wurden alle abgesagt.“ Mittlerweile gebe es zwar wieder Tagungen, aber wegen der Hygieneregeln mit wesentlich weniger Teilnehmern. Schon vor Corona gab es in Kiel eine heftige Debatte darüber, ob die Bettenkapazitäten durch die zahlreichen Hotelneubauten langfristig überdimensioniert sein werden. Ende 2019 standen in Kiel nach Angaben der Stadt 4998 Betten zur Verfügung – das waren schon knapp 1500 mehr als zehn Jahre zuvor. Inzwischen haben mit dem Niu Welly (113 Betten) im ehemaligen Sporthaus an der Holstenstraße und dem „Me and all Hotel“ (164 Doppelzimmer) zwei weitere hochmoderne Hotels geöffnet. Das Hotel am Exer (208 Zimmer), das Unic by Atlantic an der Kaistraße (174 Zimmer) und die beiden Hotels am Bootshafen (insgesamt 239 Zimmer) werden voraussichtlich im nächsten Jahr folgen. „Diese Hotels werden angesichts der neuen Marktsituation sicher ganz neu kalkulieren“, sagt Peter Böhm. Kiel-Marketing rät der Branche, sich mehr auf den Tourismus zu konzentrieren: Kiel-Marketing-Sprecherin Zeiske rät den Hotels, sich mehr dem Thema „Leisure-Tourismus“ zu widmen – also den Freizeitgedanken in den Vordergrund zu stellen. „Ich glaube, das wird künftig Thema. Wir arbeiten mit unseren Kampagnen deshalb in diese Richtung.“ Kiel-Marketing hat in dieser Woche eine Tourismuskampagne unter dem Motto „Windspirierend“ gestartet, mit der man ab sofort vor allem in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hamburg für Reisen an die Förde wirbt. „Kiel ist schließlich cool“, findet Zeiske. „Hier kann man am Strand laufen und sich durchpusten lassen, ohne dass es so voll wie an den Hotspots ist.“ Dass das grundsätzlich funktionieren kann, bestätigt auch Rainer Birke. „Wir hatten im Sommer einige Gäste, die bewusst in Deutschland geblieben sind – und erstmals Kiel besucht haben.“ Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss Gaststätten (NGG) sorgt sich unterdessen vor allem um die Beschäftigten, die seit dem Corona-Ausbruch zu leiden haben. „Die Folgen sind auch für Kellner und Hotelangestellte dramatisch. Als Kurzarbeiter mussten sie deutliche Lohneinbußen in Kauf nehmen – in einer Branche, die ohnehin nur geringe Löhne zahlt“, sagt Finn Petersen, Geschäftsführer der NGG-Region Schleswig-Holstein Nord. Die Politik sei aufgefordert, die Beschäftigten stärker finanziell zu unterstützen. Weitere Nachrichten aus Kiel finden Sie hier.