Corona-Lockdown in Kiel: So lief der erste Tag für die Händler

Die Innenstadt ist verwaist. Wo sich am letzten verkaufsoffenen Tag noch lange Schlangen bildeten, sind am ersten Tag des Lockdowns die Ladentüren geschlossen und die Gehwege leer. In einigen, zumeist inhabergeführten Geschäften fällt der Blick durch die Scheibe aber auf Menschen, die trotzdem irgendwie weitermachen. Gisela Brückner ist eine von denen, die weitermachen. Gemeinsam mit ihrem Mann Ansgar führt sie das Schuhgeschäft "Joyas" in der Holtenauer Straße. Trotz der plötzlichen Stille im Laden hat sie zu tun: Kunden anrufen, die etwas bestellt haben, Pakete packen, umdekorieren. "Wir sind permanent am Improvisieren", sagt Brückner. Neu in diesem Lockdown in Kiel: "Click und Collect": "Am Dienstag war noch einmal richtig was los." Am Mittwoch hängt ein Zettel im Schaufenster: "Wir sind auch weiterhin für Sie da" – auf Distanz. Die Kunden können per E-Mail, im Onlineshop oder auch telefonisch Schuhe bestellen und sie geliefert bekommen oder im Laden abholen. Dieses Abhol-System "Click und Collect" hatten sie im ersten Lockdown im Frühjahr nicht. Einen Kunden darf sie dazu jeweils in den Laden lassen. "Beraten darf ich ihn aber nicht", sagt Brückner. Der Sommer lief recht gut im Joyas. "Wir mussten wieder mehr Mitarbeiter einstellen", erzählt Brückner. Die könne sie jetzt nicht einfach wieder entlassen. "Ich muss sonst ja wieder Leute einarbeiten", sagt die 55-Jährige. Und die Ladenmiete? "Ob wir die mit den Einnahmen decken können, weiß ich nicht." Das alles trübt ein eigentlich ganz besonderes Jahr für die Inhaber des Schuhgeschäfts: Sie feiern 30-jähriges Firmenbestehen. "Das ist hinten runtergefallen", sagt Brückner. "Vielleicht können wir es nachholen." Karstadt im Sophienhof setzt auch auf das Prinzip "Click und Collect". Das Karstadt-Reisebüro wurde kurzerhand zur Abholstation für online bestellte Waren. Im Kosmos bringt Cynthia David gerade den Online-Shop auf den neuesten Stand, über den die Kunden Artikel der lokalen Aussteller bestellen und dann von 10 bis 14 Uhr in der Holstenstraße abholen können. Warenabholung nur nach Absprache: In Margrit Leuschners "Männersachen" sieht es ganz ähnlich aus. Sie macht die Passanten mit dem Hinweis "Abholung heute 11-15 Uhr" darauf aufmerksam, dass sie weiterhin da ist. "Wenn vorher ein Kaufvertrag geschlossen wurde, darf ich einen Kunden zum Bezahlen hereinlassen", zitiert sie die Verordnung. Sprich: Die Kunden schreiben Leuschner eine Nachricht, rufen sie an oder besuchen ihre Internetseite, dann können sie zu ihr in den Laden kommen. Dabei hat sich die Inhaberin mit anderen Geschäften in der Nachbarschaft zusammengetan. Bestellungen des "Basilikum" gibt sie heraus, Kundenwünsche an das "Litera" ebenfalls. "Wir sind so flexibel, wie es geht", sagt Leuschner. "Wir holen damit kein Weihnachtsgeschäft rein, aber wir versuchen, unsere Kunden zu binden." Im ersten Lockdown hatte Leuschner große Existenzängste. So groß, dass sie ihr Haus verkauft hat. "Ich habe den Druck nicht mehr ausgehalten", erzählt sie. Nun hat sie eine Mietwohnung. "Mir persönlich geht es jetzt besser." Sorgenfrei ist der zweite Lockdown dennoch nicht. Zwei Aushilfen musste Leuschner entlassen. Wenn der Lockdown in die Verlängerung geht, muss sie eine Mitarbeiterin in Kurzarbeit schicken. Damit, dass sie Corona-Hilfen bekommen kann, rechne sie nicht. "Wenn durch die Maßnahmen Leben gerettet werden, in Ordnung. Aber dann sollen die Zahlen jetzt auch heruntergehen." Lesen Sie auch: Weihnachtspost im Lockdown: Bis wann muss ich Briefe und Pakete verschicken? Lockdown in SH: Hier erhalten Sie weiter Tierbedarf Diese Regeln gelten von heute bis zum 10. Januar in Schleswig-Holstein Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zeigt sich in Teilen ein anderes Bild. In zwei Juweliergeschäften stehen die geänderten Öffnungszeiten für Montag und Dienstag noch im Schaufenster. Hinweise darauf, wie man zu Weihnachten dort doch noch eine Kette kaufen kann? Fehlanzeige. Lediglich Goldhaus verweist neben dem heruntergelassenen Rollo mit einem Zettel auf eine Handynummer und eine Mailadresse. Anders bei Galerie Runge. "Wir sind da", sagt Inhaberin Dorota Kaminski. Sie muss auch noch einige Einrahmungen fertig machen und abholen lassen. Zwar sehen Kunden die Bilder, die in der Galerie zu kaufen sind, auch auf der Homepage, dennoch dekoriert Kaminski für die Passanten neu. "Wir dürfen nicht aufgeben", sagt sie. Lockdown trifft auch den Weihnachtsmarkt light: Auch in der Innenstadt sind alle Geschäfte, die nicht der täglichen Versorgung dienen, geschlossen, die Holstenstraße leergefegt. Peter Behnck baut seinen Weihnachtsmarktstand am Asmus-Bremer-Platz ab und verstaut Felle und Hausschuhe in seinem Transporter. "Wir haben uns gerade eingespielt, die Leute fanden es gut, dass wir da waren", sagt Behnck. Eigentlich sollte der Weihnachtsmarkt light bis zu den Feiertagen gehen, jetzt ist er dicht. "Die Mitteilung war eine bittere Pille." Mit seinem "Fellkontor" ist der Schönbökener auf Märkte wie diese angewiesen. Ein Online-Shop gestaltet sich schwierig, weil er Unikate verkauft. Ursprünglich wollte er die Corona-Hilfen nicht in Anspruch nehmen. "Weil der Markt jetzt abgebrochen wird, werde ich sie wohl doch beantragen", sagt er.