Der SSW hat sich in der Kieler Kommunalpolitik unbeliebt gemacht

Der SSW? „Ach, lassen Sie mal.“ Mit dem Südschleswigschen Wählerverband will sich in der Kieler Kommunalpolitik gerade niemand so recht beschäftigen. Die Partei der dänischen Minderheit ist hier ein bisschen in Ungnade gefallen. Insbesondere die großen Kooperationsfraktionen SPD und Grüne sind nicht gut auf den SSW zu sprechen. Dessen zwei Ratsleute Marcel Schmidt und Susanna Swoboda hatten die Novembersitzung der Ratsversammlung boykottiert. Es war ein Protest gegen den Umzug der Selbstverwaltung vom Ratssaal in den Festsaal des Kieler Schlosses für Kosten in Höhe von 25 000 Euro. Lesen Sie auch: SSW boykottiert Ratssitzung im Schloss Den Umzug wegen Infektionsschutz hatte die Kooperation aus SPD, Grünen und FDP durchgesetzt, nachdem CDU und SSW von dem zunächst mitgetragenen Antrag wegen der Kosten wieder abgerückt waren. „Blanken Populismus“ werfen die Kooperationsfraktionen dem SSW wegen des Boykotts vor. Gesa Langfeldt vermutet Sucht nach Aufmerksamkeit: Die SPD-Fraktionschefin Gesa Langfeldt vermutet, der SSW hasche mit dem Boykott nur nach Aufmerksamkeit, weil die Dänenpartei in diesem Jahr zur Bundestagswahl antritt. Um das Direktmandat im Wahlkreis Altenholz/Kiel/Kronshagen bewirbt sich mit Schmidt just der SSW-Fraktionsvorsitzende in der Kieler Ratsversammlung. Schmidt weist das zurück. Er habe auch ohne den Boykott „genügend Aufmerksamkeit“, versichert er. Marcel Schmidt lehnt Entschuldigung ab: Die von Langfeldt geforderte Bitte um Entschuldigung für den Boykott wird er ihr schuldig bleiben. „Ich mache ja keine politischen Aktionen, um mich danach dafür zu entschuldigen“, sagt er. Immerhin sieht er in dem Boykott „keine Sache, die zur Nachahmung taugt“. Er bleibe einmalig. Lesen Sie auch: Dem SSW droht ein Verfahren Langfeldt wirft er vor, „unter der Gürtellinie“ agiert zu haben, als sie den Stadtpräsidenten um den Wortlaut für ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den SSW bat. Susanna Swoboda ist immer noch empört über den Ratsumzug: Seine Fraktionskollegin Swoboda wird noch deutlicher. „Wenn hier jemand um Entschuldigung bitten muss, dann die Kooperation bei allen Kielerinnen und Kielern“, sagt sie. Die Berufsschullehrerin verweist auf die Umstände des Präsenzunterrichts am RBZ Soziales, wo täglich alle 20 Minuten gelüftet werden muss. „Und der Rat gibt 25 000 Euro Steuergeld aus, damit die Politiker bei sechs oder sieben Sitzungen im Warmen sitzen können“, beklagt Swoboda. Die Kooperation bediene das Vorurteil, dass Politiker „erst mal an sich selber denken“. Swoboda, immer noch empört: „Mit welcher Arroganz stellt Frau Langfeldt sich hin und sagt: ,Das bin ich mir wert’?“ "Kooperation neutralisiert sich": Ratsfrau Swoboda sieht in der Ächtung des SSW auch „eine Trotzreaktion“ von SPD und Grünen. „Wir haben viel Arbeit gemacht, die eigentlich die Kooperation machen müsste“, sagt sie. Der SSW besetze Themen von SPD und Grünen, auf die die zerstrittene Ampel-Kooperation sich nicht verständigen könne. Das mache den SSW zum Roten Tuch von Rot-Grün. Swoboda hebt zwei Beispiele hervor: Für bessere Arbeitsumstände im Städtischen Krankenhaus hätte eigentlich die SPD, für ein Böllerverbot zu Silvester hätten eigentlich die Grünen sich einsetzen müssen. Statt dessen tat es der SSW. „Die Kooperation neutralisiert sich“, analysiert Swoboda. "SSW profiliert sich": Ratsherr Schmidt glaubt, dass die Kooperation „erst mal damit zurecht kommen muss, dass der SSW seine eigenen Inhalte deutlicher profiliert“ als noch in der vorangegangenen Wahlperiode. Damals regierten sowohl in der Stadt als auch im Land Bündnisse aus SPD, Grünen und – SSW. Lesen Sie auch: Kieler Ampel-Kooperation auf der Kippe Ob es in Kiel wieder zu so einem Bündnis kommen kann, wenn die Ampel platzt? Schmidt: „Der SSW hat sich noch nie weggeduckt, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen.“ Er wolle allerdings „auch nicht um jeden Preis“ in die Kooperation zurückkehren. Swoboda ist noch skeptischer. Sie glaubt nicht, dass mitten in der Wahlperiode ein neuer Kooperationsvertrag verhandelt werden kann. Beide appellieren an SPD, Grüne und FDP, sich ihrer Verantwortung für die Kommunalpolitik in Kiel bewusst zu werden.