Die Waffenschmiede wird 50: Tischkultur, die alles überdauert hat

Von den großen Fenstern ihres Restaurants eröffnet sich seither ein fantastischer Blick auf die vorbeiziehenden dicke Pötte aus aller Welt. Beständigkeit und eine echte Tafel- und Tischkultur sind das Markenzeichen des Hauses direkt am Kanal. „Die Klientel, die zu uns kommt, will ja keine Pizza, sondern persönliche Betreuung, Tischdecken, frische Blumen und eine traditionelle, gepflegte Gastronomie – etwas, das man heute kaum noch findet“, nennt Erika Rieken den Grund für die Treue ihrer Stammkundschaft. Und die macht immerhin 80 Prozent aus. „Die Gäste sind sozusagen mit uns gealtert“, sagt die 76-Jährige und lächelt verschmitzt. „Die kommen die Treppe hoch und wissen, was sie essen wollen“, ergänzt ihr Mann. „Machen sie bitte so lange weiter, bis wir sterben“, ist ein Satz, den die Riekens schon öfter von ihren Gästen gehört hat. Die Beständigkeit des Hauses zeigt sich auch beim Team. Das Zimmermädchen ist schon 36, der Koch 30 und die Küchenhilfe 17 Jahre bei den Riekens. Die Servicekräfte hätten bei ihnen gelernt. Die Waffenschmiede ist eng mit der Geschichte Holtenaus verbunden: An den Wänden hängen historische Bilder, die von der Geschichte Holtenaus erzählen, mit der die „Waffenschmiede“ und die Familie eng verbunden ist. In Urkunden tauchen die dortigen Häuser erstmals um 1600 auf. Die Häuser dienten als Dorfkrug und Hufschmiede – und auf dem Weg nach Dänemark als Ausspann. Der Name Waffenschmiede entstand 1845 und geht nicht etwa auf die Herstellung von Waffen zurück, sondern auf eine Sammelleidenschaft. Seeleute brachten von ihren Fahrten Waffen und Pistolen mit, die von den Vorgängern seit dem 19. Jahrhundert an Decken und Wänden des Dorfkruges hingen und die Blicke der Gäste auf sich zogen. Später wurde auch die Straße danach benannt. Während des Krieges fiel der beschauliche Ursprungsort Gravensteiner Straße/Waffenschmiede 1944 den Bomben zum Opfer und brannte bis auf die Grundmauern ab. Unweit des alten Ortes, nun direkt am Nord-Ostsee-Kanal, konnten die Eltern von Rainer Rieken die Waffenschmiede 1956 wieder eröffnen. Damals hatte das Hotel nur fünf Betten. 1971 übernahmen Erika und Rainer Rieken das Haus, konnten 1972 den Anbau realisieren und zur jetzigen Größe umgestalten, sodass das Hotel inzwischen über acht Doppel- und fünf Einzelzimmer verfügt. Dieser Geschichte fühlten sich die gelernte Hotelkauffrau und der gelernter Restaurantfachmann immer verpflichtet. Vorher hatten sie jahrelang in der Schweiz gearbeitet, wo sie sich kennen und lieben lernten. Den Umzug in den hohen Norden hat Erika Rieken nie bereut. „Ich war aber erstaunt, dass ich hier oben als Fränkin so gut akzeptiert worden bin.“ Doch durch den Beruf sei sie ja ein kontaktfreudiger Mensch. „Wir hatten superschöne Zeiten und tolle Gäste“, resümiert sie. Große Umbrüche haben die Riekens nicht vollzogen. „Manchmal ist es auch gut, wenn sich nichts verändert“, sagt der 78-Jährigen, der stolz darauf ist, in all den Jahren nicht eine Portion Pommes verkauft zu haben. Handy müssen hier still bleiben: Ebenso wenig mögen die Riekens Frühstück in Büfett-Form. „Wir servieren noch alles am Tisch“, sagt sie. „Unsere Gäste sollen die Ruhe und die Aussicht auf den Kanal genießen.“ So kommt es nicht von ungefähr, dass die Riekens mit Aufkommen der Handys ein Nutzungsverbot am Tisch eingeführt haben, untermauert von kleinen Kärtchen mit durchgestrichenen Handys darauf. Auch das hatte offenbar Seltenheitswert. „Wir konnten gar nicht so schnell gucken, wie sie uns die geklaut haben“, sagt Erika Rieken. Momentan allerdings fehlt es an einer Perspektive für die Gastronomie, finden beide. Zwar sind sie startklar und könnten sofort öffnen. Aber: „Wenn wir das Hotel nicht öffnen dürfen, werden wir auch die Außengastronomie nicht öffnen“, sagt Erika Rieken. Schließlich könne man die Gäste ja nicht im Regen sitzen lassen. Ein Wermutstropfen für die Riekens ist allerdings, dass sie ihr 50-jähriges Jubiläum nicht entsprechend begehen können. „Das hätten wir natürlich gerne wie in alten Zeiten flott gefeiert.“