„Funktioniert ganz hervorragend“

„Wir senden seit Freitagabend, verzeichnen mehr als 50 000 Zugriffe auf der Kiel.live-Seite, hatten am Sonntagabend zum Abschluss des Prototypingweekends über 1400 Zuschauende und einen Tag später, am Tag des Online-Marketings, über 1500 Zuschauende.“ So lautet die Zwischenbilanz von Kathrin Reinicke, Leiterin des Digitale-Woche-Kiel-Büros bei der Kieler Wirtschaftsförderung (Kiwi) und Yvonne Smith, Bereichsleiterin Marketing & Unternehmenskommunikation bei der Kiwi. Kleines Präsenzpublikum in Kiel, viele Internet-Zuschauer irgendwo auf der Welt – „dieses Hybrid-Konzept funktioniert ganz hervorragend“, erklärt Yvonne Smith. „Über 1500 Zuschauende hätten wir ja niemals in diesen Raum bekommen“, sagt sie mit Blick auf den „Saal Siemens“. Dort hat gerade Ulf Kämpfer, Kieler Oberbürgermeister, sein Grußwort zur Eröffnung der „Smart City Conference“ gesprochen – das Schwerpunktthema dieses Diwo-Dienstags. Zeitfenster: 9 bis 13 Uhr. Smartisierung der Städte läuft - aber in jeder anders: Nun referiert auf der smarten Bühne vor überdimensioniertem Apple-Bildschirm Julian Petrin vom Urbanista-Büro für Stadtentwicklung und urbane Zukunftsstrategien. Er spricht, flankiert von seinem Urbanista-Kollegen Sven Lohmeyer und Niklas Reinert vom Pressereferat der Landeshauptstadt Kiel, über die „Smartisierung“ der Städte. Jede Stadt, sagt Julian Petrin, habe ihren eigenen „Purpose“ und müsse sehen, wohin sie sich entwickeln wolle, und an welcher Stelle ihr digitale Lösungen helfen könnten. „In Duderstadt heißt Smart City etwas anderes als in einer Gemeinde im Kreis Wolfenbüttel.“ Übrigens sei einer der besten Coworking-Spaces in Deutschland "Hannover Hafven". Ihren zentralen analogen Ort hat die Diwo Kiel 2020 im Wissenschaftszentrum in der Fraunhoferstraße 13. Vor dem Eingang ins Gebäude steht das geräumige Hochschulzelt mit Bestuhlung für etwa 30 Besucher. Und hinten links im Erdgeschoss befindet sich der „Saal Siemens“. Der bietet normalerweise 220 Menschen Plätze, aber höchstens 30, solange Corona ein Thema ist. Dass an diesem Dienstagvormittag nur 20 Plätze besetzt sind, liege wohl daran, dass Interessierte, nachdem sie online ein kostenloses Ticket buchten, sich nicht an das gesamte Zeitfenster gebunden fühlen, meint Kathrin Reinicke. Vorsicht, Meinungsabfrage: "Irgendwann wird nur noch geschimpft": „Wie nimmt man die Bevölkerung mit?“ fragt ein Zuschauer, und Julian Petrin antwortet: „Für uns ist wichtig, lokale Expertise zu beteiligen.“ Dass Partizipation wichtig sei, wisse man aus Unternehmenskontexten lange: „Man lässt mitgestalten, wenn man Lösungen will, die mitgetragen werden.“ Meinungen bloß abzufragen, sieht er hingegen skeptisch. Mit dem Web 2.0 – „kennt das eigentlich noch jemand?“ – hätten viele Menschen ihre eigene Wirksamkeit erfahren. Stuttgart 21 habe 2008 einen Schub gebracht, „da wurde Sich-Formieren übers Netz zu einer breiten gesellschaftlichen Praxis. Seitdem erleben wir in Projekten häufig eine Lagerbildung und Kriegszustände.“ Es gebe eine Minderheit „von 15, eher 20 Prozent, die sind strukturell gegen alles, was sich verändert. Die kriegen Sie nie eingefangen, da wird irgendwann nur noch geschrien und geschimpft, ähnlich wie in sozialen Netzwerken.“ Ergo: „Man kann nicht einen Konsens mit allen haben, sondern braucht eine repräsentative Umfrage und muss dann irgendwann eine harte Entscheidung treffen.“ Mittlere Großstädte seien oft mutiger als die ganz großen, „die manchmal erstarrt sind in Interessenkonflikten. Ohne schmeicheln zu wollen: Kiel erlebe ich als sehr agil.“ Besser pendeln mit dem "Mobility Assistant Heidelberg": Nach kurzer Pause taucht auf dem großen Bildschirm Katharina Wagner auf, Head of Business Development bei der Digitalen Agentur in Heidelberg. Sie musste nicht nach Kiel reisen, aber ihre Zuschauer könnten in Honduras sitzen – ein Vorzug der Digitalwelt. Ein bisschen Wort-Gewölk scheint systemimmanent zu sein. „Wie weit läuft das technische Narrativ mit dem Partizipationsnarrativ zusammen?“, fragt der Moderator in Kiel und bekennt: „Darauf bin ich sehr gespannt.“ In Heidelberg, erläutert Katharina Wagner, liege die Koordinierung der Digitalstrategie beim Oberbürgermeister. 2017 sei, von Stadtwerken und Stadt zu gleichen Teilen, die Digitale Agentur GmBH geschaffen worden. Seit 2019 gebe es ein Amt für Digitales und last but not least in den Fachämtern Digitallotsen als Ansprechpartner. Die Digitale Agentur berät und koordiniert, "und als kleine Agentur haben wir eine Drei-Säulen-Strategie, um zu sortieren, was zuerst und was danach kommt". Erste Säule sei die Hyperconnectivity - zum Beispiel Ausbau von Glasfasernetz und öffentlichem WLAN, Evolution von 4G auf 5G. "Die zweite Säule bilden Data Driven Services, Dienste, die Bürger von überall in Anspruch nehmen können, und die dritte Säule, Governance & Cooperation, meint jede Zusammenarbeit, den Bürgerdiskurs und die Akquise von Fördermitteln." Erstes IoT-Projekt (IoT = Internet of Things, ein System von miteinander vernetzten Maschinen über das und mit dem Internet) sei in Heidelberg das „Smart Waste Project“ gewesen: „Wir haben Altglasbehälter mit Sensoren ausgestattet, die die Befüllung anzeigten, um so die Entleerungstouren effizienter zu planen.“ Das zweite Projekt „Mobility Assistant Heidelberg“ werde gerade umgesetzt, zunächst im Neuenheimer Feld, wo es bei etwa 30 000 Pendlern täglich zu Staus komme. „Pendler, die unsere App nutzen, bekommen personalisiert Empfehlungen, wie sie besser pendeln können.“ Er sehe da Parallelen zum Theodor-Heuss-Ring in Kiel mit seinen 50 000 Pendlern, sagt der Moderator ganz unverquast. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier. Die Digitale Woche (Diwo) wurde vor drei Jahren von Kiels OB Ulf Kämpfer initiiert. Umgesetzt wird das Projekt der Landeshauptstadt von deren 100-prozentiger Tochter KiWi mit einem vierköpfigen Team. Etwa 140 der 280 Veranstaltungen der Diwo Kiel 2020 werden ausschließlich digital angeboten – ein Spitzenwert. Wie gut diese Diwo ankommt, wird erst im Nachhinein ganz klar sein. Nicht alle, die sich anmelden, kommen auch, und die Zahl derer, die digital teilnehmen, wird sich noch erhöhen. Denn aus dem täglichen Live-Stream ( https://www.kiel.live/ ) erstellt das Team Material für die Mediathek ( https://digitalewochekiel.de), das verzögert abrufbar ist. Besser als 2019, als nicht jede hochrangige Veranstaltung digital zugänglich war, wird die Schlussbilanz schon sein. Teurer soll die Diwo 2020 nicht werden. „Wir bleiben im Budget, weil wir nicht drei Areas bespielen müssen, dafür in professionelle Streaming-Technik investieren“, sagt Kathrin Reinicke. Ihr Blick in die Zukunft? „Das Kiel.live-Modell soll bleiben, Veranstaltungen sollen digital gestreamt werden. Wir werden alle Player mit hochwertigem Content – wie IHK, opencampus.sh, Fleet7 oder Cowork Nord – einladen auf die Kiel.live-Plattform. Die bekommen alle ihren eigenen Raum. Wenn Unternehmen dort einstellen wollen, werden wir kuratieren.“ Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.

Digitale Woche Kiel 2020 - „Funktioniert ganz hervorragend“