E-Foilboot "Candela Seven" in Kiel-Schilksee: Wie Fliegen über die Ostsee

Das Boot ist vergleichsweise unscheinbar – das Fahrgefühl aber unendlich erhaben: Die "Candela Seven" wird von Thorben Thies seicht in den Olympiahafen Schilksee gesteuert, wo sie die komplette kommende Woche liegen wird. Hier an Bord zu gehen, ist der Schritt in eine neue Welt der Wassermobilität. Die "Candela Seven" kommt wie ein schlichtes Motorboot aus vergangenen Jahrzehnten daher. Die Innenausstattung ist puristisch. Auffällig ist lediglich der große Hochkant-Bildschirm, der an die E-Autos der Marke Tesla erinnert. Als Thies die "Candela Seven" leise auf die Ostsee hinauslenkt, wird jedoch in Sekundenbruchteilen klar, dass hier an Bord alles anders ist. Den Hebel nach vorne gedrückt – und dann passiert es: Den Hebel zur Beschleunigung nach vorne gedrückt, gibt das Boot extrem leise Vollgas. Der Elektromotor mit BMW-Batterien katapultiert die "Candela Seven" schnell auf die 20-Knoten-Marke zu. Und dann, kurz vorher, bei etwa 17 Knoten, passiert es: Das Boot hebt auch Rumpf und Heck komplett aus dem Wasser – und es gleitet in einem Wahnsinnstempo auf den Foils dahin. Bei Foils handelt es sich um Flügel unter dem Rumpf. Sie reduzieren den Widerstand, aber halten den Wasserkontakt aufrecht – jedoch so indirekt, dass plötzlich keine Wellen mehr spürbar sind. Heute ist die Ostsee eher ruhig. Aber Thies und sein Team können glaubhaft herüberbringen, dass kein Wässerchen die "Candela Seven" erschüttern kann. Als Thies nach Minuten wie im Flug herunterbremst, senkt sich auch das Boot und gleitet wieder herunter in die Ostsee. Zeit für ein paar Worte der Erklärung: "Die ,Candela Seven' ist das erste E-Boot überhaupt, das foilen kann", sagt Philip Demler, Thies' Kollege. Thies kündigt das Ende von Seekrankheit an. Mit ihrer Altenholzer Firma VMG Marine wollen sie das Boot auf den deutschen Markt bringen – und geben sich zuversichtlich. "Wir sehen Deutschland als großes Potential", sagt Demler. Die "Candela Seven" sei interessant für Privatkunden, aber auch für kommerzielle Zwecke, beispielsweise in Naturschutzgebieten. Denn ein E-Motor hat natürlich keinen Ausstoß. "Es ist ohnehin eine Entwicklung, dass immer mehr Seen Verbrenner verbannen", sagt Demler. Die Boote werden individuell in Stockholm gebaut: Während Beginn der Corona-Krise habe der Bootskauf zunächst gestockt, sagt Thies. Jetzt habe das Thema aber wieder Fahrt aufgenommen. An Pfingsten in Köln waren sie erstmals in Deutschland unterwegs. Jetzt hat Mitarbeiterin Meira Schulte das Testboot mit dem Hänger direkt aus der Werft in Stockholm nach Schilksee gefahren. Hier beginnt die Deutschland-Werbetour. Und die begründet das Team so: Mit dem Elektromotor und der Foiltechnik habe die "Candela Seven" eine dreifach stärkere Energieeffizienz als vergleichbare Motorboote – selbst Wasserski ziehen sei problemlos möglich. Das ermöglichen die leichte Carbonbauweise und eine integrierte Elektrik, die die Flügel automatisch 100 Mal pro Sekunde ausrichtet, um die Wellen nicht zu spüren. Bei einem Tempo von rund 20 Knoten habe das Boot 50 Seemeilen Reichweite, also etwa 90 Kilometer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt aber deutlich über 20 Knoten. An den meist üblichen Hafen-Stromzugängen dauert ein kompletter Ladevorgang zwölf Stunden. Es seien aber auch längst schnellere Vorgänge möglich. Der stolze Preis liegt bei 245.000 Euro netto: Die Zielgruppe von VMG sind Kunden, die sich ein solches Boot leisten wollen und den praktischen Nutzen sehen. Tatsächlich seien von 16 bisher gefertigten auch alle international verkauft. Alle Kunden besäßen auch einen Tesla, so Demler. Das skizziert die Zielgruppe vielleicht noch genauer. Wer eine "Candela Seven" wünscht, für den wird sie individuell gefertigt. Der blaue Rumpf und die roten Foils sind kein Muss. Der Komplettpreis liegt bei 245.000 Euro netto – dazu können noch ein Verdeck und ein Hänger gekauft werden. Zum Slippen lassen sich Motor und Flügel elektrisch hochfahren. Stolzer Preis für ein stolzes Produkt. Wer damit selbst elektrisch über das Wasser fliegen will, muss derzeit zwei bis drei Monate Produktionszeit einplanen, so Demler. Der erste Kontakt ist bis zum 29. August aber in Schilksee möglich. Anmeldungen zur Probefahrt für Interessenten unter www.vmgmarine.de oder Tel. 0431/30037944. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.