Ende einer Tradition: Neumühlener Rosengilde löst sich auf

Auf ihrer Jahreshauptversammlung hat die Rosengilde vor Kurzem beschlossen, sich aufzulösen. Die Mitglieder haben noch einmal für die kommissarische Leitung den alten Vorstand gewählt, damit dieser die nötigen Schritte einleitet. Anton Boller ist mit kurzer Unterbrechung seit 2009 Vorsitzender. Schon seit 50 Jahren gehört der 71-Jährige der Gilde an. Als die Blasmusik die Pferde scheu machte: Die zweite Schatzmeisterin des Vereins, die 69-jährige Elke Jeß, ist sogar seit 55 Jahren dabei. „Mein Opa war schon Fahnenträger und mein Vater war Vorsitzender“, berichtet sie. Die Dietrichsdorferin zählt die unterschiedlichen Orte auf, an denen der Verein sein Gildefest gefeiert hat: Jahnplatz, Lokal „Zum Grünen Kranze“, Gaststätte „Sennhütte“ im Scharweg – beide Lokalitäten gibt es inzwischen nicht mehr – und Altenzentrum Poggendörper Weg. „Das Fest war früher immer mit einem Jahrmarkt verbunden, der Kettenkarussells, Schiffsschaukeln und Buden hatte“, erzählt die Seniorin. Mit dem Spielmannszug ging es von der Dietrichsdorfer Mitte bis zum Festplatz. Sie erinnert sich an eine Begebenheit in ihrer Kindheit beim Festumzug zur Sennhütte. „Die Pferde auf einer Koppel erschraken vor der Blasmusik, gingen durch und sprangen über die Zäune.“ Gildefest als Höhepunkt des Jahres: Die dreitägige Feier war das Herzstück des Zusammenschlusses: eine Kaffeetafel für die älteren Mitbewohner, ein Kinderfest, bei dem das Kinderkönigspaar ermittelt wurde, ein großer Umzug durchs Dorf mit befreundeten Gilden, der Schießwettbewerb auf den Holzvogel und die Königsproklamation beim Gildekommerz. „Abordnungen von uns haben an den Festen unserer befreundeten Gilden teilgenommen“, erzählt die Schriftführerin Maike Ernst. Auf dem Jahresprogramm standen außerdem vier Vorstandssitzungen, eine Teilnahme an dem Dietrichsdorfer Gedenkakt zum Volkstrauertag, ein Ball und eine Fahrt ins Blaue. „Wir hatten viele Sponsoren“, merkt Maike Ernst an. Dagegen mangelte es an Nachwuchs. „Welcher Jugendliche ist heute bereit, eine Gildeuniform anzuziehen?“, fragt Boller. „Außerdem fordert die Schule viel. Andere Vereine haben ebenfalls Probleme, neue Mitglieder zu finden.“ Maike Ernst argumentiert mit den Vorlieben heutiger Jugendlicher: „Gilde hat nichts mit PC zu tun.“ Die Gildeaktivitäten würden auch in der Bevölkerung auf weniger Interesse stoßen: „Während bei unseren Umzügen die Leute früher an den Straßen standen, ziehen die Bürger heute höchstens kurz die Gardine zurück“, bedauert Boller. Stühle und Tische hat die Gilde bereits an Kindergärten und andere Einrichtungen verschenkt. Fahnen, Lade, die Gewehrattrappen und die beiden dicken Gildebücher mit sorgfältigen Eintragungen in Tinte verwahren Mitglieder. Eine Gilde mit Versicherungsverein: Die Gilde hat von Anfang an die Funktion eines Versicherungsvereins übernommen. „Sie hat in guten Zeiten Geld so angelegt, dass ein Polster entstanden ist“, erläutert Boller. „Die Mitglieder und ihre Familienangehörigen erhalten finanzielle Unterstützung bei Knochenbrüchen, Krankenhausaufenthalten und Sterbefällen.“ Der Jahresbeitrag belaufe sich auf 25 Euro. Zum historischen Hintergrund erklärt Boller: „Früher gab es noch keine Lohnfortzahlung.“ Nun wird der Vorsitzende für die Abwicklung Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium aufnehmen. Er rechne damit, dass der ganze Prozess rund ein Jahr in Anspruch nehme. „Nach der Endabrechnung wird die verbleibende Summe unter den Mitgliedern aufgeteilt.“ Bis dahin würde die relativ kleine Versicherung ihre Leistungen wie bisher erbringen. Doch an der Fahrt ins Blaue und dem beliebten Ball möchte der Zusammenschluss auch in Zukunft festhalten. Ob die Gemeinschaft dann noch „Rosengilde“ heiße oder einen anderen Namen wähle, stehe „in den Sternen“, so Boller. Überhaupt sei der Ursprung des blumigen Namens nicht überliefert. „Die Gilde muss zur Rosenzeit gegründet worden sein“, vermutet Maike Ernst. Mehr aus Kiel lesen Sie hier.

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