Erste Ratssitzung im Kieler Schloss

Die Ratsleute saßen im Festsaal mit dem gebotenen Corona-Abstand zueinander an eigens beschafften Tischen. Im gesamten Schloss galt Maskenpflicht, auch an den Sitzplätzen. Im Foyer standen Spender mit Desinfektionsmitteln. Die Kontaktdaten aller Gäste wurden aufgenommen. Allerdings gab es – anders als im Ratssaal – im Festsaal kein Plexiglas als Spuckschutz vor dem Rednerpult und vor dem Podium des Präsidiums. Der Abstand schien auch so groß genug. Den Umzug an einen alternativen Sitzungsort hatte die Ratsversammlung auf Betreiben der Mehrheitsfraktionen SPD, Grüne und FDP beschlossen. Sie hatten das mit der Sorge vor Infektionen und mit besseren Arbeitsbedingungen begründet. "Im Festsaal ist die Luft viel besser": Die SPD-Fraktionsvorsitzende Gesa Langfeldt bedankte sich am Schluss der ersten öffentlichen Sitzung im Schloss ausdrücklich bei allen Mitarbeitern der Stadt und des Schlosses, die den Umzug bewerkstelligt hatten. Sie fühle sich im Festsaal viel wohler als im Ratssaal, sagte Langfeldt. „Die Luft ist viel besser, und man friert hier auch nicht so.“ Kurz vor dem einstimmigen Umzugsbeschluss im September bei zwölf Enthaltungen hatten die Ratsfraktionen von CDU und SSW sich dem Antrag der Kooperation angeschlossen. Beide Fraktionen waren danach wieder davon abgerückt. Die beiden Ratsleute des SSW gingen nun sogar so weit, der Ratssitzung im Schloss aus Protest fernzubleiben. Marcel Schmidt und Susanna Swoboda kritisieren die Umzugskosten in Höhe von mehr als 25 000 Euro. Stadtpräsident spricht von Arbeitsverweigerung: Der Boykott des SSW sorgte bei allen anderen Fraktionen für Kopfschütteln. Der Stadtpräsident fand deutliche Worte: „Ich betrachte das als Arbeitsverweigerung“, sagte Hans-Werner Tovar unter dem Applaus des ganzen Hauses. Tovar nannte die Teilnahme an der Ratsversammlung „das hauptsächlichste Merkmal des Mandats“. Der Umzugsbeschluss sei umstritten, aber in einem demokratischen Prozess zustande gekommen. Boykott ist eine Ordnungswidrigkeit: Nachdrücklich zitierte der Jurist die Gemeindeordnung. Nach Paragraf 134 ist das unentschuldigte Fehlen in der Ratssitzung eine Ordnungswidrigkeit. Das Ordnungsamt könne sie aber nur auf Ratsbeschluss ahnden. Dazu bedürfe es eines Antrags. Tovar: „Das sollte nur ein Hinweis und keine Aufforderung sein.“ SPD-Fraktionschefin Langfeldt bat den Stadtpräsidenten sogleich um eine rechtssichere Vorlage für so einen Antragstext. „Machen wir“, rief Tovar. Langfeldt nannte den Boykott des SSW „ein Unding“. Die Teilnahme an den Ratssitzungen sei „die vornehmste Aufgabe“ gewählter Ratsleute. Fraktionssitzung statt Ratsversammlung: SSW-Fraktionschef Schmidt ahnt, was auf ihn und seine Kollegin zukommt. „Das wird wohl ein Ordnungswidrigkeitsverfahren geben“, sagte der Polizist. Schmidt und Swoboda saßen zeitgleich zur Ratsversammlung im Magistratssaal des Kieler Rathauses und hielten mit den bürgerlichen Mitgliedern und den Geschäftsführern eine Fraktionssitzung. Boykotteure erhalten trotzdem Sitzungsgeld: Auf das Sitzungsgeld für die Ratsversammlung müssen die beiden Ratsleute trotzdem nicht verzichten – jedenfalls so lange nicht, bis die Ordnungswidrigkeit festgestellt ist.

Erste Ratssitzung im Kieler Schloss - Umzug wegen Corona