Fitnessstudios und keine Öffnung während Corona: Schwitzen um die Existenz

Volker Roese, 60-jähriger Chef des Wellyou-Imperiums, durchschreitet sein Studio am Unternehmenssitz in Kiel-Brunswik mit starrem Blick und sieht – nichts. Zumindest niemanden von den 60.000 Mitgliedern seiner insgesamt 30 Studios. Nur ein paar Mitarbeiter renovieren, putzen, grüßen den Chef, bis der kämpferisch sagt: "Wir werden das überleben." Vier Wochen sind Roeses Studios jetzt bereits geschlossen. Er bezeichnet sein Kieler Unternehmen als Marktführer in Norddeutschland, arbeitet nicht mit Franchise-Nehmern. Er hat den Überblick über Hunderte Mitarbeiter – und dieser Überblick ist derzeit verheerend. Ein Fitnessstudio mit geschlossenen Türen kann kaum anderweitig punkten. Die Hälfte von Roeses Angestellten ist in Kurzarbeit. Er habe niemandem gekündigt. Stocke bei allen auf. Wichtig ist das Verhältnis zum Kunden: "Wir haben sehr früh über unseren Umgang mit der Situation nachgedacht", sagt er. Hygienische Regeln befolgten seine Studios ohnehin bereits seit der Vogelgrippe. Dann überschlugen sich die Ereignisse: "Mit dem Lockdown konnte niemand rechnen." Das Wichtigste sei ihm die Kommunikation mit den Kunden gewesen. Wellyou habe auch "für sehr viel Geld alle Kunden angeschrieben". Ein Vorteil: Schon länger biete man Cyber-Kurse an – darauf können die Studios aufbauen, stellen regelmäßig Einheiten auf der Filmplattform Youtube ins Netz. "Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Roese. "Der Kunde will sein Umfeld, sein Studio, seine Motivation." Er lobt die Mitglieder, die Wellyou bislang über die Maßen treu geblieben seien. "Im Moment ist das eine Stimmung, die durchs Land geht." Aber Roese sagt auch: "Wir müssen unsere Vermieter bluten lassen." Er habe gestundet, zahle nur Nebenkosten – und auch die Solidarität der Mitglieder sei endlich. "Wenn es auf Dauer in der Krise an die Substanz geht, muss jeder an sich selbst denken." Alles eine Frage der Zeit. Wie viel Zeit bleibt seinem Unternehmen noch? "Schon nach wenigen Monaten können Fitnessstudios echte Probleme bekommen", sagt Roese. Wellyou sei gut aufgestellt. Aber entscheide die Regierung, sie zu behandeln wie Großveranstaltungen, "brauchen wir gar nicht mehr aufzumachen". Jeden Monat kündigten durchschnittlich 2,5 Prozent. Das ist normal in der Branche. Doch die Zeiten sind nicht normal: Derzeit gibt es keine Neukunden. Nach vier Monaten fehlen zehn Prozent der Einnahmen. Das kann Studios bereits das Genick brechen. "Es wird Jahre dauern, bis wir das wieder reingeholt haben", sagt Roese. Kritik: Politik hätte besser vorbereiten können: Überhaupt, auf die Politik – vor allem in Berlin – ist er nicht gut zu sprechen: Jahrelange Epidemie-Warnungen habe man dort nicht ernst genommen. Dass so früh in einer Krise Schutzkleidung fehle, sei der Beleg. Dass deutschlandweit Krankenhäuser schlossen, ebenso. "Wenn Sie sich nicht vorbereiten, können Sie nur die Notbremse ziehen", sagt Roese. Dass es zuletzt keine andere Wahl gab, sieht er ein. "Das müssen wir als Bürger jetzt gemeinsam ausbaden." Umso bitterer, dass sich die Politik für Hilfsmaßnahmen abfeiere – aber bisher weder vom Kurzarbeitergeld noch von KfW-Mitteln ein Cent bei ihm angekommen sei. Und: "Dass wir kollektiven wirtschaftlichen und sozialen Selbstmord betreiben, möchte ich zumindest infrage stellen", sagt Roese. Seiner Ansicht nach müssten doch gerade Fitnessstudios wieder öffnen, um Gesundheit zu ermöglichen und den Menschen in dieser Zeit ein Ventil zu geben. Er sei vorbereitet: Masken und Werbekampagnen für den Zeitpunkt, wenn es endlich wieder losgeht. Er hatte schon an diesem Montag erwartet, dabei zu sein – spätestens im Mai sei das für ihn alternativlos. Inhabergeführte Studios betonen ihren Wert: Ähnlich sehen das Karl Pröhl und Rainer Wilkens, Betreiber und Geschäftsführer der Kiels-Studios im Cap und Grasweg: Auch sie haben Schaum vorm Mund, weil gerade gesundheitliche Vorsorge jetzt angezeigt sein sollte: "Wir sehen uns nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung." Große Studios ermöglichten ausreichende Abstände, "wenn man uns lässt", sagt Pröhl. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Kiels Fitness (@kielsfitness) am Apr 14, 2020 um 3:43 PDT Wilkens fehlt die Transparenz: "Wir sind frustriert über die pauschale Abstrafung." Pröhl fasst die Lage für sein Studio nicht anders zusammen als Roese: Die Kunden seien überwältigend solidarisch – aber die Mitgliederzahl nehme dennoch kontinuierlich ab. "Wir können das nicht über Monate durchhalten." Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein So viele bestätigte Corona-Fälle gibt es in Schleswig-Holstein Die Lockerungen ab dem 20.4. im Detail KN-Bühne: Diese Künstler aus der Region treten vom 21. bis 26. 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