Fiverr in Kiel: Student schreibt Texte für Unternehmen aus der ganzen Welt

Der international begehrte Student heißt Luca Neubert, wird bald 22 Jahre alt, kommt aus Neumünster, wohnt aktuell in Kiel und ist im fünften Semester seines BWL-Studiums. Was er macht: Er schreibt deutsche Texte, die dafür sorgen sollen, dass seine Kunden sichtbarer bei Google werden. Student aus Kiel schreibt Texte für internationale Unternehmen: Ein Beispiel: Ein polnisches Unternehmen vermietet Autos über seine Internetseite. Nun will es auch deutsche Kunden erreichen. Also beauftragt es Neubert, der einen kurzen deutschen Text schreibt, der bei der Google-Suche unter dem Link der Website als Beschreibungstext angezeigt wird. Wichtig: In dem Text müssen Stichwörter sein, die viele Nutzer in die Google-Suche eingeben. Denn so taucht die Autovermietung in der Suche weiter oben auf - und die Internetseite wird häufiger angeklickt. Aber wie kommt ein Student aus Kiel an Kundenaufträge aus der ganzen Welt? Die Antwort lautet Fiverr. Bei Fiverr werden teilweise kuriose Dienstleistungen angeboten: Fiverr ist eine Art Airbnb für Freelancer-Dienstleistungen. Statt Wohnungen werden hier Kreativjobs angeboten. Freiberufler können auf der Seite ein eigenes Profil erstellen, samt der Leistungen, die sie anbieten und der entsprechenden Preise. Kunden buchen dann direkt auf der Seite. Auf Fiverr gibt es nichts, das es nicht gibt. Online-Fitnessstunden mit Personal Trainer, Trompetenspieler, die nach Wunsch Melodien spielen, ja sogar einen alten Opa, der mit einer Banane spricht und dabei Leuten zum Geburtstag gratuliert. Es ist ein Sammelsurium an lustigen, ernstgemeinten, professionellen Dienstleistungen. Neubert trat kurz nach dem Fiverr-Start in Deutschland bei: Anfang 2019 meldete sich auch Luca Neubert bei Fiverr an, eigentlich nur mit Gedanken, sich ein wenig Geld dazuzuverdienen. Aber was anbieten? Neubert suchte nach Lücken im vielfältigen Angebot, nach Geschäftsfeldern, wo die Konkurrenz noch nicht so groß war. „Diese Lücke habe ich schnell gefunden: Es waren Menschen, die deutsche Texte schreiben“, sagt Neubert. Fiverr war damals gerade erst in Deutschland gestartet - und hierzulande ziemlich unbekannt. Neubert hatte also den Vorteil eines Early Adopters. Schon nach wenigen Tagen bekam er den ersten großen Auftrag von einem niederländischen Casinounternehmen, das heute noch immer zu seinen Kunden zählt. Lesen Sie auch: Der Kieler, der hinter den Werbedeals der Youtube-Stars steckt Student in Kiel: Corona hat für mehr Aufträge gesorgt: Die Aufträge, sie wurden nicht weniger. Neubert stieg zu einem vielgebuchten deutschen Texter auf. Es gibt Zeiten, da flattern zehn neue Aufträge in der Woche in sein Postfach. Mal muss Neubert sich an genaue Vorgaben halten, mal recherchiert er zuvor eigenständig zu einem bestimmten Thema Inhalte und google-relevante Stichwörter. Manchmal bekommt er nur einen einmaligen Auftrag, andere Male wird er direkt monatelang gebucht. Sein Tagesablauf: Aufstehen, Nachrichten von Kunden checken, Uni, Mittagspause, recherchieren und texten, Freizeit, schlafen. Und Corona? „Das Auftragsvolumen ist mit Corona merklich gestiegen“, sagt Neubert. Der Grund: Der Online-Handel boomt in Zeiten von geschlossenen Geschäften und Homeoffice. Die Unternehmen wollen bei Google weit oben angezeigt werden - und suchen sich deswegen einen Fachmann auf Fiverr, der ihnen dabei hilft. Fiverr, eine Onlineplattform für Dienstleistungen, hat seinen Ursprung in Israel. 2010 gegründet von Micha Kaufman und Shai Wininger entwickelte sich das Unternehmen zu einem der weltweit größten Marktplätze für Freelancer. Nach Angaben von Fiverr wurden seit der Gründung mehr als 50 Millionen Aufträge auf der Seite abgewickelt. Fiverr verdient als Vermittler an jeder Dienstleistung mit: Die Vermittlungsgebühr liegt bei 20 Prozent. Im vergangenen Jahr entstand ein regelrechter Hype um die Plattform, der Unternehmenswert stieg 2020 von 780 Millionen auf knapp acht Milliarden US-Dollar. Fiverr wegen niedriger Preise in der Kritik: Fiverr ist aber auch wegen der Preise so beliebt. Der Plattform eilt der Ruf voraus, dass es hier für wenig Geld Dienstleistungen gibt. Dienstleistungen zu Dumping-Löhnen, teilweise deutlich unter dem deutschen Mindestlohn. Die Konkurrenz unter den einzelnen Anbietern ist groß - und für einen philippinischen Grafikdesigner können auch schon acht Euro für eine Computeranimation viel Geld sein. Fiverr ist ein Ort, an dem sich viele Selbstständige selbst ausbeuten. Auch Luca Neubert hat am Anfang Texte für fünf Euro angeboten. Vermutlich einer der Gründe, warum die ersten Aufträge nicht lange auf sich warten ließen. Mittlerweile hat er sich aber ein Standing auf der Plattform erarbeitet, wird höher gerankt und hat den Status eines Verkäufers der zweiten von drei Stufen. Heißt: Die Plattform kennzeichnet ihn als vertrauenswürdigen und erfahrenen Dienstleister. Lesen Sie auch: Spieleentwicklerin aus Kiel: "Computerspiele können viel bewirken" Stundenlohn von Luca Neubert aus Kiel liegt bei 20 Euro: Vertrauen ist auf Fiverr wichtig. Gerade, wenn ein Kunde kein Deutsch kann und die Texte gar nicht im Vorfeld auf ihre Qualität überprüfen kann. "Man muss einigen Kunden schon erklären, warum meine Texte besser sind als die, die nur durch den Google-Übersetzer gelaufen sind", sagt Neubert. Er hat sich das so wichtige Vertrauen aber erarbeitet - und verdient dementsprechend. Sein durchschnittlicher Stundenlohn liegt mittlerweile bei 20 Euro. Ein netter Nebenverdienst während des Studiums. "Ich kann mir einiges erlauben, was ein normaler Student wahrscheinlich nicht kann", sagt er. Für ihn war diese neue Form der Selbstvermarktung ein Glücksgriff. Klar, auch finanziell. Aber vor allem ist es wichtige Berufserfahrung. Denn BWL-Student Neubert hatte mit 21 schon mehr internationale Kunden als viele seiner Kommilitonen wahrscheinlich in ihrem ganzen Leben haben werden.