Flüchtling beginnt Studium in Kiel

14. Oktober 2015: Amin Alhachemi erreicht über die österreichisch-deutsche Grenze Passau. Nach einer Odyssee von Syrien nach Europa blickt der kurdische Syrer hoffnungsvoll auf eine Zukunft in Sicherheit. Auf den Tag genau vier Jahre später steht er in der Leibnizstraße vor seinem Institut an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und beginnt ein Studium der Migration und Diversität in Kiel. Beim Treffen mit den Kieler Nachrichten erzählt er vom Studium im Krieg in Damaskus, seiner Flucht im überfüllten Schlauchboot über das Mittelmeer und wie er es in Kiel an die Universität geschafft hat. Land mit vielen Chancen: "Deutschland ist kein Paradies", sagt Amin Alhachemi und fügt an: "Aber ein sicheres Land mit vielen Chancen." Wer sie ergreifen wolle, müsse dafür jedoch auch bereit sein, hart zu arbeiten. Zwei Umzüge und unzählige Stunden ehrenamtlicher Arbeit als Übersetzer hat er hinter sich gebracht. Inzwischen ist er beim Kieler Fenster angestellt, hilft traumatisierten Flüchtlingen, in Deutschland anzukommen. Trotz allem sagt der 31-Jährige: "Ich hatte es leicht." Denn in der syrischen Hauptstadt Damaskus hatte Alhachemi Englische Literatur studiert, konnte sich so auch in Deutschland gleich verständigen. "Bis zum Kriegsbeginn 2011 hatte ich in Damaskus eine gute Zeit", sagt er. Hier lernt der Kurde aus Qamischli im Grenzgebiet zur Türkei seine heutige Frau Safaa kennen. Alhachemi will Studium unbedingt beenden: "Doch dann lagen Orte, an denen ich gerade noch gewesen war, auf einmal in Schutt und Asche." Viele Kommilitonen hängten das Studium an den Nagel. Nicht so Alhachemi. Er beendet seinen Bachelor, beginnt noch ein Diplomstudium in Pädagogik, dass er jedoch nicht mehr beenden kann. Er geht in die kurdische Stadt Erbil im Irak, bis der Islamische Staat 2014 ansetzt, die Stadt zu erobern. Zurück in seiner Heimatstadt Qamischli im Grenzgebiet zur Türkei droht ihm die Einziehung zum Militär, so entscheidet sich Amin Alhachemi zur Flucht. Er bricht ohne Safaa in die Türkei auf, sitzt wenig später mit 44 anderen in einem Schlauchboot, setzt auf die griechische Insel Lesbos über. Dramatische Flucht über das Mittelmeer: "Das Wasser stand kniehoch im Boot, das nur für 30 Personen ausgelegt war." Er selbst kann nicht schwimmen, sagt: "Wie hätte ich da meiner Frau helfen sollen." Über Griechenland, den Balkan, Ungarn und Österreich erreicht er schließlich Deutschland, bekommt vier Wochen später eine Bleibe im Kieler Umland. Im Dezember wird er als Asylbewerber anerkannt. Dann dauert es noch ein ganzes Jahr, bis er seine Frau Ende 2016 nachholen darf. "Das sind Daten, die werde ich nie vergessen", sagt er. Jetzt steht mit dem Studium ein neuer Abschnitt im Leben des Syrers an. Zuerst wollte er weiter Englische Literatur studieren. Doch das Ergebnis eines Englisch-Sprachtestes genügte den Ansprüchen der Universität nicht. Ein Tiefschlag. Doch mittlerweile spricht er besser Deutsch, entscheidet sich für einen Master in Migration und Diversität. "Der wird auf Deutsch angeboten, außerdem kann ich dort weitere Sprachen lernen. Muttersprachlich spricht er bereits Kurdisch und Arabisch. Erinnerung an Damaskus: Während Alhachemi in seiner Heimat bereits als Lehrer gearbeitet hat, bereitet ihm in Deutschland besonders die Arbeit mit anderen Flüchtlingen viel Spaß. Er lebt heute mit Frau und knapp zweijährigem Sohn Diaa in der Nähe des Holstein-Stadions, hört den Jubel, wenn die Kieler Tore schießen. "Das erinnert mich an Damaskus, wo ich auch in der Nähe des Fußballstadions gewohnt habe." An dem Masterstudiengang an der CAU reizt ihn besonders der Schnittbereich aus Sprachen, Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Fächer, die Alhachemi nutzen will, um seinen Horizont zu erweitern "und andere Flüchtlinge noch besser zu beraten." Leben voller Prüfungen: Amin Alhachemi ist angekommen in Kiel. Dabei zu helfen, dass das möglichst vielen Migranten auch so geht, ist seine größte Triebfeder. Dabei wartet auf ihn schon die nächste Prüfung: während er sein Studium beginnt, bangt er um Vater, Mutter und Geschwister, die alle im kurdischen Teil des Landes leben, der gerade Ziel einer türkischen Militäroffensive geworden ist. Weitere Nachrichten aus Kiel finden Sie hier.

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