Gastronom aus Kiel: Das lange warten auf die Corona-Hilfen

Noch steht dem Restaurant Markmanns, das von seiner Hanglage aus über den Falckensteiner Strand blickt, das Wasser nicht bis zum Hals. Aber es steigt. „Wenn die Überbrückungshilfe III nicht funktioniert, überleben wir den März nicht“, sagt Inhaber Oliver Markmann. Ein Satz der nachhallt, am Ende eines Gesprächs über ein Jahr zum Vergessen, versprochene Hilfsgelder und die Machtlosigkeit beim Warten darauf. Das Restaurant Markmanns eröffnete im Juli 2019. Oliver und Daniela Markmann hatten seit 2010 das gleichnamige Lokal in Westerrönfeld betrieben, bis Stammgäste von dem leerstehenden Landgasthof in Falckenstein erzählten. Die Stadt Kiel suchte einen Nachmieter, und die Markmanns nahmen an der Ausschreibung teil. Ein Jahr später: die Zusage. „Das war, als hätten wir den Heiligen Gral gefunden“, sagt Oliver Markmann. Der Start am neuen Standort gelang, weil Stammgäste mit umzogen und neue hinzukamen. Corona-Hilfen: Selbst für Profis schwer zu durchschauen: Und dann kam Corona. Nach einem Jahr ohne Geburtstage und Hochzeiten, stattdessen aber Teil-Öffnungen und Zwangsschließungen ist Markmann auf staatliche Hilfe angewiesen – wie fast alle Gastronomen. Doch er gehört zu den wenigen, die öffentlich darüber sprechen möchten. „Ich will nur meine Rechnungen und Mitarbeiter bezahlen können.“ In den Corona-Hilfstöpfen sind zwar Milliardengelder veranschlagt, doch der Bund hat mit den November- und Dezemberhilfen sowie den Überbrückungshilfen ein komplexes System geschaffen, das selbst für Profis schwer zu durchschauen ist. „Erst Ende des Monats konnten wir die Novemberhilfen beantragen, obwohl kommuniziert wurde, dass die Unternehmen frühzeitig im November Gelder kriegen werden“, sagt Markmanns Steuerberater Alexander Hamdorf von Brandenburg und Partner. Anfang Dezember floss nur eine Abschlagszahlung von 50 Prozent. Auch das sei nur kurz vorher bekannt gegeben worden. Restaurant Markmanns in Kiel: Novemberhilfe kommt zwei Monate später als gedacht: „Die Höhe der erwarteten Hilfen sind in Ordnung, aber die Auszahlungszeitpunkte und Kommunikation darüber katastrophal“, so Hamdorf. Die Erstattung für Umsatzausfälle hatte sich wegen Software-Problemen bei der vom Bund bereitgestellte Online-Plattform verzögert. Am 18. Januar hat Markmann den zweiten Teil der Zahlung erhalten – rund zwei Monate später als gedacht. Aus Markmann spricht Frust, manchmal Wut, aber keine Resignation. Das würde zu diesem Mann mit fester Stimme und eindringlichem Blick nicht passen. Am Vormittag hat er in der Küche noch Spareribs für den „BBQ-Büddel“ mariniert. „Das Paket bringt drei Tage Barbecue nach Hause.“ Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hat bei seinen Mitgliedsbetrieben in Schleswig-Holstein abgefragt, wie viele die Novemberhilfen bekommen haben. Ergebnis der Umfrage: Nur sechs von mehr als 300 Betrieben hatten bis zum 12. Januar die vollständige Zahlung erhalten. „Ein sehr, sehr langer Zeitraum, den die Unternehmen überbrücken mussten, vor allem weil sie aus einem Jahr kommen, in dem sie ohnehin nicht aus dem Vollen schöpfen konnten“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführer Stefan Scholtis. Für manche Gastronomen seien Hilfen bereits zu spät. Es gebe Betriebe, die „betriebswirtschaftlich tot“ seien. Doch die Insolvenzantragspflicht ist für Unternehmen, die staatliche Hilfeleistungen erwarten können, noch bis Ende Januar ausgesetzt. „Das verschleiert die dramatische Lage. Manche Betriebe klammern sich an den letzten Strohhalm, der sich ihnen bietet“, so Scholtis. „Das Wort Insolvenzwelle ist so leicht daher gesagt. Doch man muss sich deutlich machen, dass hinter jeder Insolvenz eine Existenz steckt.“ Lesen Sie auch: Günther spricht sich für Lockdown-Verlängerung und gegen Ausgangssperre aus Viel lieber würde sich Markmann für seine Kunden aber wieder selbst an den Grill stellen und Rumpsteak, Entrecote oder Tomahawksteak auf den richtigen Punkt bringen. „Wir leben von dem, was hier drinnen passiert. Die Menschen fühlen sich bei uns einfach wohl.“ Wann sie das wieder können? Geringere Hilfen bei Überbrückungshilfen befürchtet: Im Dezember ploppte bei Markmann ein Thema auf, über das er sagt: „Das ist der Kern unseres Unglücks, das jetzt kommt“. Ungedeckte Fixkosten sind Voraussetzung für die Gewährung von Überbrückungshilfen – also Kosten, die Unternehmen nicht mit den noch vorhandenen Einnahmen decken können. Das gilt auch bei der Überbrückungshilfe III, die sich auf die Fördermonate Januar bis Ende Juni bezieht. „Diese Einschränkung wurde erst nachträglich aufgenommen“, sagt Steuerberater Hamdorf und geht nun von geringeren Hilfen aus. Da eine Antragsstellung für die „Ü III“ aktuell noch nicht möglich ist, rechnet er aus den Erfahrungen der November- und Dezemberhilfe im Februar nicht mit weiteren Zahlungen. Markmann spricht gerade heraus: „Bis dahin geht es ums nackte Überleben.“