Gnadenhochzeit in Kiel: Ehepaar Nogens ist 70 Jahre verheiratet

Günter Nogens hat mit seinen 90 Jahren ein erstaunlich gutes Gedächtnis: Er erinnert sich noch bestens an den Tag, als er, der Einzelhandelskaufmann, ein hübsches, junges Flüchtlingsmädchen aus Ostpreußen in seinem Laden bediente. Als Erinnerungsstütze hält er dennoch ein mit der Schreibmaschine verfasstes Blatt Papier in den Händen, auf das er die Geschichte des Ehepaars notiert hat. Schon beim Vorlesen des ersten Satzes "Es begann im Frühjahr 1949..." bricht ihm die Stimme weg. Die ersten Treffen des jungen Paares fanden in Kieler Tanzlokalen statt. Eine der "wenigen Freuden, die man in der Nachkriegszeit hatte", wo jeder zum Eintritt ein Stück Holz mitbringen musste, um den Ofen anzuheizen und das Lokal auf angenehmer Temperatur zu halten. Als sich der erste Nachwuchs ankündigte, vereinbarte das junge Paar schnell einen Hochzeitstermin – den 16. September 1950. Das Fest sei sehr schlicht und einfach abgelaufen, das Geld habe nicht mal für eine kirchliche Trauung gereicht. Aber der Hochzeitstanz fehlte nicht: Ein Tango "Olé Guapa", den das Ehepaar bis heute tanzt, zuletzt beim 90. Geburtstag von Günter Nogens. "Ich kann nur mit meinem Mann tanzen, der kann das gut. Ich selbst kann eigentlich gar nicht tanzen", sagt Gisela Nogens. Sie sind ein Vorbild für die Familie: Am Tag ihrer Hochzeit habe sie das erste Mal nach vielen Jahren wieder weinen können – vor Freude natürlich. "Ich konnte vorher durch all das Schlimme, das ich erlebt hatte, nicht mehr weinen", sagt die Frau, die mit zwölf Jahren aus ihrer Heimat Königsberg geflüchtet war. Nach 70 Jahren wird die Feier des Hochzeitstags nun abermals klein ausfallen: Zur Gnadenhochzeit kommen nur die Kinder und Schwiegerkinder. Die vier Enkel, fünf Urenkel und zwei Ururenkel des Ehepaars bleiben diesmal zu Hause. Tochter Ingelore Markwardt findet in ihren Eltern immer noch ein großes Vorbild: "Unsere Eltern haben uns einen guten Grundstock mit auf den Weg gegeben – die alten Tugenden eben: Höflichkeit, Ordnung, wie man mit Geld umgeht, Selbstständigkeit." Die älteste Tochter hat selbst schon Goldhochzeit gefeiert. "Wir haben unseren Kindern nie gesagt: Das müsst ihr so machen." Wichtig war Günter Nogens vor allem, seinen Kindern die Liebe zu den Bergen weiterzugeben. Er erinnert sich besonders gerne an die vielen Urlaube der Familie in Südtirol. 26 Gipfel hat er in seinem Leben erklommen, viele davon gemeinsam mit seiner Frau. Er habe mal gerechnet: "Wir waren insgesamt in unserem gemeinsamen Leben zehn Jahre im Urlaub", sagt er. "Das schweißt zusammen." Deshalb ist auch sein heißer Tipp für junge Ehepaare: "Wenn Sie mal Schwierigkeiten haben, gehen Sie in die Berge. Wenn man zurückkommt, ist alles wieder gut." "Man muss auch mal zurückstecken können": Manchmal hat er die Sorge, dass sich viele Ehepaare heute nicht mehr an Diskussionen wagen. Die meisten würden nur den anderen überzeugen und unterbuttern wollen und wenn das nicht funktioniere, gingen die meisten direkt auseinander. "Man kann nicht nur Forderungen stellen: Man muss auch geben und mal zurückstecken können", sagt der 90-Jährige. "Über diesen Zeitpunkt sind wir ja hinaus", merkt Gisela Nogens an und lacht. Sie seien sich sowieso immer sehr einig gewesen. "Sonst wären wir auch nicht so lange zusammengeblieben", ist sich Günter Nogens sicher. Sie hätten immer eine Einheit gebildet, egal ob es sich um den Urlaub oder neue Anschaffungen gedreht hätte. Auch bei der Hausarbeit haben die beiden ihre Verantwortungsbereiche klar aufgeteilt: Die Küche ist zum Beispiel seit Ewigkeiten das Revier des Ehemanns. "Ich weiß gar nicht mehr, wie kochen geht", meint Gisela Nogens. Noch ein paar Jährchen: Vor 17 Jahren hatte Gisela Nogens einen Herzstillstand, seitdem begleitet sie ein Herzschrittmacher. "Ich war für sechs Minuten auf der anderen Seite", erklärt sie diesen Moment. Das sei für die Familie eine sehr belastende Situation gewesen, sagt ihr Ehemann, auch er hat inzwischen einige Operationen hinter sich. "Aber ein paar Jährchen werden wir wohl schon noch weitermachen", glaubt er. Weitere Artikel aus Kiel lesen Sie hier. Von Hannah Küppers