Gottesdienste an Weihnachten in Kiel: Absagen und Alternativen

Die Glocken werden läuten, doch sonst steht eine stille Nacht in den Kirchen bevor: kein gemeinsames Singen in den Bänken, kein Krippenspiel, kein Vaterunser. "In diesem Jahr ist es zu Weihnachten leider anders", sagt Almut Witt, Pröpstin der Propstei Nord. Es sei hingegen auch schön, dass neue Sachen entstehen. Alternative Gottesdienste würden noch einmal andere Menschen ansprechen. "Vielleicht macht das wieder neugierig auf Kirche", sagt sie. "Das ist ein guter erster Schritt." In Kiel richten nur fünf der 20 Gemeinden einen normalen Gottesdienst aus, dazu kommen die drei Gottesdienste am Bootshafen. Aufgrund der Vorgaben dürfte nur eine begrenzte Anzahl an Menschen mit Anmeldung zum Gottesdienst kommen, erklärt Jürgen Schindler, Sprecher des Kirchenkreises Altholstein. Pro Gottesdienst seien allein für die Gottesdienste am Bootshafen jedoch viele Personen auf der Warteliste. 15 Kieler Gemeinden haben sich in diesem Jahr gegen reguläre Gottesdienste entschieden. Einige von ihnen wurden kreativ und haben sich trotz Lockdown und Abstandsgebot Alternativen einfallen lassen. Gottesdienst und Babygeschrei im Radio: Das ökumenische Team der Radiokinderkirche holt den Gottesdienst nach Hause. Über die Offenen Kanäle in Schleswig-Holstein können Familien so am 24. Dezember vor dem Tannenbaum der Radiokrippenfeier mit der Weihnachtsgeschichte und Musik lauschen. Auf dem Offenen Kanal Kiel wird der Kindergottesdienst um 16 Uhr auf der Frequenz 101.2 MHz übertragen. Dafür hat die Radiokinderkirche einen passenden Babyschrei für das Christkind gesucht und gefunden. Familien konnten eine Schrei-Sequenz ihres Kindes aufnehmen und an das Radioteam senden. Wer der Säugling ist, wird vor der Sendung nicht verraten, sagt Tobias Raschke als katholischer Mit-Initiator in Kiel. Gottesdienst auf Rädern und Friedenslichter: Auch die Evangelisch-Lutherische Emmaus-Kirchengemeinde Kiel bringt weihnachtliche Stimmung zu den Gemeindemitgliedern nach Hause – und zwar auf Rädern. Mit einem festlich geschmückten Sightseeing-Bus fahren Pastorin Teelke Bercht und zwei Musiker durch das Gemeindegebiet im Norden der Stadt. "Es soll ein kleiner Lichtmoment werden, der etwas von dem großen Licht von Weihnachten erspüren lässt", erklärt die Gemeinde auf ihrer Homepage. Dort können Anwohner im Gemeindegebiet sehen, ob die Route des mobilen Gottesdienstes auch durch ihre eigene Straße führt. Lesen Sie auch: So können Sie Weihnachten 2020 Gottesdienst feiern In Suchsdorf wird unterdessen gepilgert. Zwischen 13 und 15.30 Uhr können Familien beim individuellen Weihnachtspilgern der Matthias-Claudius-Kirchengemeinde an drei Stationen das Friedenslicht von Bethlehem mit nach Hause nehmen: am Kiosk im Quartierspark, am Café Margarethental und an der Matthias-Claudius-Kirche. Die Pilger sollten ein Windlicht oder eine Laterne nicht vergessen, damit das Friedenslicht auf dem Weg zum Weihnachtsessen nicht erlischt. Balkonsingen mit ehemaligem Tenor: Wer nicht aufs Singen am Heiligabend verzichten möchte, kann sich ein Beispiel an den Bewohnern in der Wilhelminenstraße nehmen. Schon im ersten Lockdown hatte Thomas Scheler, ehemaliger Tenor im Kieler Opernchor, zum gemeinsamen Singen und Musizieren mit den Nachbarn aufgerufen. Angeregt durch die Videos von Italienern, die von ihren Balkonen sangen, um sich gegenseitig Mut zu machen, hatte Scheler damals gemeinsam mit Nachbarn in Form von Handzetteln zur Aktion aufgerufen. Damals stimmten rund 50 Bewohner und Passanten mit ihm in "Komm, lieber Mai" und "Alle Vögel sind schon da" ein. Zum Fest ist das Liedgut natürlich ein anderes, und auch die Uhrzeit wurde auf 16 Uhr vorverlegt, damit man sich noch von den Balkonen sichtbar zuwinken kann. Ausgesucht hat Scheler ein paar Klassiker an Weihnachtsliedern: "Alle Jahre wieder", "O du fröhliche" und natürlich "Stille Nacht, Heilige Nacht". Die Handzettel sind bereits wieder verteilt oder hängen als Einladung an den Haustüren. Zum Schluss kann man ihn nochmal solo genießen. Im Mai ertönte "O sole mio" durch die Wilhelminenstraße. Man darf gespannt darauf sein, was er diesmal anstimmt. Und hoffentlich findet die Aktion in anderen Straßen viele Nachahmer, sodass vielleicht doch ein wenig selbstgemachte weihnachtliche Musik erklingt. Von Johanna Lehn und Petra Krause