Kiels Zeit in der Hanse neu erforscht

Kiels Zeit als Hansestadt war ein bisher wenig beachtetes Kapitel der Geschichte der Fördestadt – und auch der Hanse. Diese Lücke hat nun Thomas Hill, im Hauptberuf Schuldirektor am Berufsbildungsgymnasium Schleswig, geschlossen. Hill war 2004, nach Promotion und Habilitation am Historischen Seminar der Kieler Universität, in den Schuldienst gewechselt. Sein neues Buch „Hansestadt Kiel“ ist als Band 91 in der Reihe Sonderveröffentlichungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte im Verlag Wachholtz erschienen. „Ich freue mich, dass dieses Thema jetzt endlich kompetent bearbeitet wurde“, erklärte Jürgen Jensen, Herausgeber der Reihe, bei einem Pressegespräch. Der Erste, der Kiels Hanse-Zeit in einem Aufsatz untersuchte, war 1882 Christian Jessen: 180 Publikationen in zwei Reihen ("Sonderveröffentlichungen" und "Mitteilungen"), davon zwei Drittel von Jensen verantwortet, hat die Kieler Gesellschaft, einer der größten stadtgeschichtlichen Vereine in Deutschland, seit den 1870er-Jahren herausgebracht. Zu Beginn ging es um Themen des Mittelalters, doch nicht um die Hanse. „Der Erste, der sich damit befasste“, so Buch-Autor Hill, „war 1882 Privatdozent Christian Jessen, Historiker an der Kieler Universität“, mit seinem Aufsatz „Kiel als Mitglied der deutschen Hanse“. Auch andere Wissenschaftler des Historischen Seminars der Kieler Universität hätten sich bis heute „immer wieder intensiv mit der Geschichte der Hanse beschäftigt“. "Höchste Zeit, dass die Rolle der Landeshauptstadt aufgearbeitet wird": Seine eigene aktuelle Arbeit ist größer. Hill ordnet sie als grundlegende Studie ein. Der Wachholtz-Verlag nennt sie „das erste eigenständige Werk über die Beziehungen Kiels zur Hanse“. Das Thema Hanse, so Wachholtz-Vertreterin Sabine Popanda, „ist für uns als norddeutscher Regionalverlag auch heute noch allgegenwärtig. Es war höchste Zeit, dass die Rolle der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins aufgearbeitet wird.“ Hinzufügen ließe sich: Es ist ein äußerlich schönes, in Farb-, Material- und Schriftwahl edel wirkendes Hardcover-Buch im Format 18,5 x 12 Zentimeter (18 Euro), das auf 192 Seiten ein Porträt Kiels von dessen Gründung bis zum Ende seiner Hanse-Beziehungen einbettet in eine akzentuierte, kompakte Geschichte der Hanse. Kiel war im Mittelalter Handwerkerstadt, die Kaufleute betrieben kaum Fernhandel: „Kaufleute aus rund 200 Städten Norddeutschlands nahmen am hansischen Handel teil, vom Niederrhein bis ins Baltikum“, schreibt Hill. Der Schwerpunkt dieses Handels lag vom 13. bis zum 16. Jahrhundert im Transit zwischen Ostsee- und Nordseeraum. Zwar lag Kiel, damals Kleinstadt mit rund 2500 Einwohnern, günstig am Meer, darin vergleichbar der zehnmal so großen „Königin der Hanse“ Lübeck. Doch „Kiel war im Mittelalter eine ausgesprochene Handwerkerstadt, so Hill. Während des gesamten Mittelalters gab es regen Handel mit Lübeck und vor allem Hamburg. Aber die Kieler Kaufmannschaft betrieb, anders als die Lübecker, kaum Fernhandel – außer nach Dänemark. 1283 überließ der dänische König Erich Klipping Kiel eine Vitte – ein Gebiet, auf dem Kaufleute Heringe für den Transport verarbeiten und salzen ließen – an der Südwestspitze Schonens. In diesem „Schonen-Privileg“ sieht Hill den Beginn der Beziehungen Kiels zur Hanse. Denn die schonischen Märkte entwickelten sich Anfang des 14. Jahrhunderts kurzfristig zu Messen für Waren aller Art. 1518 wurde Kiel ein letztes Mal als vollwertige Hansestadt bestätigt: Hill wertete neben Quellen im Stadtarchiv, Landesarchiv und in der Uni-Bibliothek vor allem die Hanserezesse aus. Das sind in 30 Bänden von je rund 1000 Seiten bewahrte Protokolle der Hansetage, herausgegeben vom 1870 gegründeten Hansischen Geschichtsverein. Ausweislich dieser Quellen waren Kieler Kaufleute in den vier hansischen Kontoren Nowgorod, Bergen, London und Brügge nicht tätig. Sie agierten vielmehr als lokale und regionale Verteiler der Güter des Hansehandels. 1518 wurde Kiel ein letztes Mal als vollwertige Hansestadt bestätigt. Wahrscheinlich, vermutet Thomas Hill, war nur wenigen mittelalterlichen Bewohnern Kiels bewusst, dass ihre Stadt zur Hanse gehörte. Und am Ende noch ein Plädoyer für mehr Erinnerung und Hanse in der Marke Kiel: An diesem Punkt gibt es Parallelen zur Gegenwart. Im letzten Kapitel seines Buches verlässt Hill die historische Leitschnur, zu schildern, was gewesen ist: Die heutige Stadt Kiel solle sich „dazu durchringen“, der Neuen Hanse beizutreten (1980 als „Städtebund Die Hanse“ gegründet). Darin weiß er sich mit dem langjährigen früheren Direktor des Stadtarchivs und Stadtmuseums einig. Jensen: "Im Hinblick darauf, dass man Kiel, die Sailing City, für Touristen und Kreuzfahrer vermarktet, ist die Hanse doch eine positiv besetzte Dachmarke. Ich setze noch eins drauf: Wenn das MFG5-Gelände bebaut wird, dann würde ich es Hanse-Viertel nennen." Außerdem, so Thomas Hill, könnte die Dauerausstellung zur vormodernen Geschichte Kiels im Warleberger Hof der Hanse mehr Platz einräumen. Und die Hansekogge sollte für Erinnerungskultur genutzt werden. Denn Schleswig-Holstein habe eben zwei Hansestädte: die „Königin“ Lübeck und Kiel; jene Stadt, die so war wie die Mehrheit aller mittelalterlichen und historisch bisher kaum erforschten Hansestädte: klein. Weitere Nachrichten aus Kiel finden Sie hier.

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