Inken Völpel-Krohn aus Kiel wird mit Landesverdienstorden ausgezeichnet

Wie ist der typische Nordfriese? Eine schwierige Frage. Aber vielleicht ein wenig so wie Inken Völpel-Krohn. Die 82-jährige Sylterin ist traditionsbewusst, zupackend, wissensdurstig und weltoffen. Am Dienstag erhält sie von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) den Verdienstorden des Landes für ihr „Engagement für die Minderheiten und das deutsch-dänische Grenzland“. Obwohl die Diplom-Übersetzerin schon lange in Kiel lebt, gehört ihr Herz noch immer ganz der Insel. Einen Interviewtermin mit Inken Völpel-Krohn zu verabreden, ist ganz einfach. „Kommen Sie mal vorbei“, sagt sie. „Meine Arbeit kann ich auch später noch machen.“ Zeit zum Stylen braucht sie nicht. „Bei der Ordensverleihung bin ich auch nicht schöner“, sagt sie und öffnet wenig später gut gelaunt die schwere Eingangstür ihres Hauses in Düsternbrook. Vor mehr als 30 Jahren hat sie das Gebäude aus dem Jahr 1936 von ihrer Großmutter übernommen. Noch immer lebt sie hier mit ihrem Mann. Die drei Töchter sind längst ausgeflogen und verdienen sich als Juristinnen und Betriebswirtin das eigene Geld. Im Flur geht es vorbei an einem Antilopenkopf aus Afrika ins große Arbeitszimmer mit knarzendem Parkett. Ein riesiger Schreibtisch dominiert das Zimmer. An den Wänden hängen alte Seekarten, dunkle Öl-Porträts von Verwandten und historische Stiche. „Meine Vorfahren waren Walfänger“, erzählt sie und fügt hinzu: „Mir liegt Fernweh genauso im Blut wie Leengen, das Heimweh.“ Zum Studieren nach Paris: Mit drei Schwestern wächst Inken Völpel-Krohn als Älteste in Westerland auf. „Meine Eltern hatten sich entschlossen, uns wie Jungs zu erziehen“, erzählt sie. „Dazu gehörte dann natürlich auch eine gute Schulbildung.“ So zieht die Familie später nach Kiel, damit die Mädchen an der Ricarda-Huch-Schule ihr Abitur machen können. Nach dem höheren Schulabschluss schickt ihr Vater sie zum Studieren nach Paris. „Ich hatte wohl zu dicke Kleie an den Hacken“, sagt sie lächelnd. Ihre Sylter Bodenhaftung verliert sich aber in der Fremde schnell. Sie fängt mit Jura an, wechselt später zu Sprachen. Es folgen Stationen in London, Philadelphia/USA und Toulouse. In Saarbrücken schließlich macht sie ihr Diplom als juristische Übersetzerin. Und einmal übersetzte sie Interviews über multiple Orgasmen: Bis heute ist Inken Völpel-Krohn mit eigenem Büro beruflich voll eingebunden. Verträge sind ihr Spezialgebiet. Nur einmal in den 80er-Jahren gibt es eine Ausnahme. Da hat sie hier an diesem Schreibtisch mit der berühmten amerikanischen Sexualforscherin Shere Hite zusammengearbeitet. „Ich hab’ ihre Interviews übersetzt“, sagt sie schmunzelnd. Statt um Schiffbauvertäge und NS-Prozesse ging es auf einmal um multiple Orgasmen und den Stellenwert der Penetration. Doch zurück zu den Wurzeln. Wenn Inken Völpel-Krohn von ihrer Kindheit erzählt, beginnen ihre Augen zu leuchten. „Wir waren frei wie Wildgänse“, sagt sie. Während der Vater als Jurist und die Mutter beim Bürgermeister in Westerland arbeitet, erkunden die vier Töchter die Insel. Das Bedürfnis nach Freiheit prägt sie bis heute. Später in Kiel kauft sie sich mit 15 einen Piraten, eine fünf Meter lange Jolle mit zehn Quadratmeter Segelfläche. „Ich bin nicht jeden Tag zur Schule gegangen“, gesteht sie. „Oft war ich auf der Kieler Förde.“ Im Bootshaus lernt sie auch ihren späteren Mann Peter kennen. Die Jungs dort helfen ihr mit der Jolle, verlangen aber als Belohnung für ihre Dienste einen Kuss. Amüsiert fügt sie hinzu: „Peter war der einzige, der mich nicht küssen wollte.“ Einige Jahre später ändert sich das aber schlagartig. Institut soll friesische Sprache und Kultur pflegen: Am Tisch der Familie Krohn wird zu der Zeit Hochdeutsch, Englisch, Plattdeutsch und Friesisch munter durcheinander gesprochen. Der Vater hatte einst in Paris und London studiert, die Mutter hatte zwei Jahre in Amerika verbracht. Wenn Inken Völpel-Krohn heute die friesische Sprache hört, geht ihr Herz auf. Eine schöne Sprache, eine weiche Sprache. Nur das Wort „lieben“ gibt es nicht. Stattdessen sagt der Friese „Ik mai di liir“, ich hab Dich gern. „In dieser Beziehung sind die Friesen sehr zurückhaltend“, sagt sie lachend. Seit 2012 ist sie Vorsitzende des Vereins „Nordfriisk Instituut“ in Bredstedt. Das Institut wurde gegründet, um die friesische Sprache, Geschichte und Kultur zu pflegen, zu fördern und zu erforschen und den Grenzfrieden zu erhalten. Ein Herzenswunsch auch von Inken Völpel-Krohn, die die einzige Friesisch-Dolmetscherin weit und breit ist. Ihrer Großmutter wurde verboten, zu Hause Friesisch zu sprechen: Auch an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel hinterlässt Inken Völpel-Krohn ihre Spuren. Als sie mit 40 noch einmal Amerikanistik studiert, bereitet sie den Weg für das Fach Frisistik. Als Dozentin gibt sie später ihr Friesisch-Wissen an junge Studenten weiter, schreibt friesische Lehrbücher. „Im Dritten Reich wurde es meiner Großmutter verboten, zu Hause Friesisch zu sprechen“, erzählt sie. „Zum Glück ist das lange her.“ Dass sie nun mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet wird, macht sie stolz. „Ich wünsche mir, dass die Friesen erkennen, was sie an Kulturgut haben“, sagt sie. Es reiche aber nicht aus, dass ein paar Großmütter mit ihren Enkeln Friesisch sprechen. „Es muss eine Struktur geben, die es jedem ermöglicht, Friesisch zu lernen. Nur so kann es gelingen, dass die Sprache nicht ausstirbt.“ Da kann eigentlich jeder helfen. Mit dem Satz „Friisk ik mai di liir“ ist schon mal ein Anfang gemacht. Nordfriesisch gehört zur westgermanischen Sprachgruppe und ist eine der kleinsten Sprachen in Europa. Sie besteht aus neun verschiedenen Dialekten wie zum Beispiel Sölring auf Sylt, Halunder auf Helgoland und Freesk auf den Halligen. Rund 10000 Menschen sprechen in Nordfriesland noch Friesisch. Seit 1965 setzt sich das Nordfriesische Institut in Bredstedt dafür ein, dass die friesische Sprache, Geschichte und Kultur gepflegt, gefördert und erforscht wird. Der dazugehörige Förderverein, den es bereits seit 1948 gibt, hat mehr als 900 Mitglieder und ist Träger des Instituts. 1992 wurde eine Europäische Charta unterzeichnet. Ziel der Urkunde ist es, dass Regional- und Minderheitensprachen vor dem Aussterben geschützt werden. Zudem soll ihr Gebrauch im öffentlichen Leben ausgeweitet werden. In Deutschland trat die Charta am 1. Januar 1999 in Kraft. Weitere Artikel aus Kiel lesen Sie hier.