Jahresrückblick 2020: Volle Badestege an der Kieler Förde

Grund ist – wie so häufig in diesem Jahr – die Corona-Pandemie. Da viele Kieler im Sommer nicht in den Urlaub fahren und keine Lust haben, sich an überfüllten Stränden zu sonnen, verbringen sie ihre Freizeit an der Kiellinie. Schließlich ist hier das Wasser ganz nah, statt im Sand werden Picknick-Körbe, Gesellschaftsspiele oder Bier auf mitgebrachten Decken auf einer Wiese ausgebreitet. Doch anders als in Falckenstein oder Schilksee ist die Förde kein Badeparadies. Das Gegenteil ist der Fall. Denn abgesehen vom Seebad Düsternbrook und dem 20 mal 20 Meter großen, eingezäunten Areal am Camp 24/7, auf dem sich coronabedingt nur fünf Menschen gleichzeitig auf dem Steg und 14 im Wasser aufhalten dürfen, ist Schwimmen an der Kiellinie untersagt – zu gefährlich, weil die Förde an dieser Stelle Hafengebiet ist und Rudervereine dort Vorrang gegenüber Badenden genießen, argumentiert die Stadt. Vielen Besuchern sind die Verbote egal: Vielen Besuchern ist das egal – sie haben keine Lust, in langen Schlangen zu warten – und springen dort ins Wasser, wo es nicht erlaubt ist. So werden die Stege der Rudervereine von Schwimmern in Beschlag genommen, was dazu führt, dass die Rudergesellschaft Germania ihren Zugang zum Wasser absperren muss. Als Begründung gibt die Vereinsvorsitzende Sabine Köhler an, dass die Köpfe der Schwimmenden für Ruderer schwer zu sehen seien. „Wir fahren ja rückwärts.“ Auch die Kanu-Vereinigung und der Akademische Ruderverein äußern Sicherheitsbedenken und sprechen sich gegen legale Schwimmmöglichkeiten an ihren Stegen aus. Lesen Sie auch: Doch Chancen für neue Badestellen Der Stadt folgt der Argumentation der Vereine. Statt weitere Badestellen auszuweisen, entscheidet sie sich dafür, das bisherige Angebot aufzuwerten – allerdings nicht in Form einer größeren oder einer weiteren Schwimmfläche, sondern indem drei Umkleidekabinen am Camp 24/7 aufgestellt werden. Und so kommt es, wie es kommen muss. Statt die Stege der Rudervereine zu nutzen, weichen die Bade-Freunde an den ungenutzten Fähranleger Bellevue aus. Mit der Konsequenz, dass sich in den wenigen richtig heißen Tagen Mitte August ein Katz- und Maus-Spiel zwischen Schwimmern, Wasserschutzpolizei und der Stadt entwickelt. Dass die Brücke abgesperrt wird, hindert die Schwimmer nicht daran, vom Anleger in die Förde zu springen. Sie klettern über die doppelreihigen rot-weißen Absperrgitter, verschaffen sich Zugang zur Seebrücke, ziehen sich auf dem Anleger um und hüpften ins Wasser. Täglich werden Platzverweise ausgesprochen und Personalien aufgenommen. Der Aufwand ist für die Ordnungshüter so hoch, dass sogar der Revierleiter der Wasserschutzpolizei, Ingo Berger, an die Politik appelliert. „Wenn die Stadt die Möglichkeit für ein legales Badevergnügen in der Kieler Förde erhöhen würde, hätten meine Kollegen weniger Arbeit.“ Bürgerbegehren für eine Badestelle am Fähranleger Bellevue: Doch weder der Hilferuf der Polizei noch eine Petition werden gehört. In einem Bürgerbegehren fordern Schwimm-Begeisterte, den Fähranleger Bellevue als allgemeinen Aufenthaltsort und als Badestelle zu öffnen. „Es ist eine Schande, dass die Landeshauptstadt es seit Jahren versäumt, ausreichend Angebot zu schaffen, was man in der momentanen Situation beobachten kann“, heißt es in dem Begehren, das über 2570 Unterstützer findet. Für 2020 kommt die Petition zu spät, ihre Wirkung verfehlt sie aber nicht. Stadt und Politik wollen für 2021 die Möglichkeiten weiterer Badestellen an der Kiellinie prüfen.