Jobmesse in Kiel: Junge Leute fühlen sich durch Corona benachteiligt

Für junge Leute wie Johanna Wendt erschwert Corona den Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf erheblich. Die 16-Jährige hat den Mittleren Schulabschluss gemacht und ist nun auf der Suche nach einer Ausbildung in der Verwaltung. „Die Berufsorientierung fiel dem Lock Down zum Opfer, der Schulabschluss war schwieriger als sonst, Praktikumsplätze sind kaum zu finden und Jobmessen wurden auch abgesagt. Deshalb sind wir froh, dass es heute hier eine Möglichkeit gibt, sich umzusehen und zu informieren“, sagt der Vater Holger Wendt. Johanna steht damit nicht allein. Auch andere Jugendliche erzählen, dass sie es durch Corona besonders schwierig finden, sich zu orientieren und rechtzeitig den richtigen Beruf und passenden Ausbildungsplatz zu finden. Ausbildung noch jetzt starten: Das spiegelt sich auch in den Ausbildungszahlen, sagt Arbeitsminister Bernd Buchholz (FDP) bei der Eröffnung der Jobmesse: Zum 1. August waren bei der Industrie- und Handelskammer 11 Prozent weniger Ausbildungsverträge und bei der Handwerkskammer 9 Prozent weniger gemeldet als im Vorjahr. "Das liegt auch daran, dass es durch Corona weniger Orientierung gab", ist Buchholz überzeugt. Doch dieses Jahr müsse für die betroffenen jungen Leute kein verlorenes Jahr werden, betont der Minister. Denn auch wer bisher keine Ausbildung begonnen hat, kann noch bis zum Februar einen Ausbildungsvertrag abschließen und sofort starten. Duales Studium extrem gefragt: Auffällig häufig ist an den Messeständen der Unternehmen, von Stadtverwaltung, Polizei und Bundeswehr die Frage zu hören: „Bieten Sie auch ein duales Studium an?“ Auch Elisa Fischer von der KNK Business Software AG wird das an diesem Tag immer wieder gefragt und kann dann mit Dualen Studiengängen in Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik punkten. „Duale Studien sind extrem in. Viele junge Leute wollen nach der Schule nicht nur Theorie, sondern auch Praxis und dabei schon etwas verdienen.“ Beratung durch den Oberbürgermeister: Moritz Horn findet das auch verlockend. Zwar ist er erst 16 Jahre alt und bis zum Abitur sind es fast noch zwei Jahre. Doch schon jetzt will es sich erkundigen, ob die Stadt Kiel mitmacht, wenn die Fachhochschule wie geplant ein duales Architekturstudium anbietet. Da passt es gut, dass der Gymnasiast auf der Jobmesse Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) direkt ansprechen kann. Nach dem Gespräch sind beide zufrieden. „Ich glaube, ich habe da einen künftigen Architekten für uns gewonnen“, sagt Kämpfer und freut sich, dass die Stadtverwaltung durch Corona für Bewerber attraktiver geworden ist. „Wir sind plötzlich für Fachkräfte interessant, die uns früher gar nicht beachtet haben. Schutz, Fürsorge und Arbeitsplatzsicherheit bekommen durch Corona ein neues Gewicht.“ Großes Interesse an Neuanfang im Beruf: Aber auch an der Messe selbst ist diesmal vieles anders. Zuallererst der Ort: Statt in der Neuwagenhalle von Süverkrüp findet die Messe diesmal in dem 3000 Quadratmeter großen Transportzentrum statt. Die Aussteller: Im vergangenen Jahr waren es über 100 – diesmal haben sich 80 angemeldet, gekommen sind 75. Angesichts von Corona mehr als Projektleiter Martin Kylvåg erwartet hatte. Die Auflagen: Genehmigt wurde die Messe nur, weil ein ausgeklügeltes Hygienekonzept vorgelegt wurde mit breiten Gängen, viel Abstand, Personenbegrenzung und einer App, mit der die Besucher registriert werden. Schummeln nicht möglich. Die Besucher: Das Interesse ist groß. Bereits am Sonnabendvormittag bildet sich eine Warteschlange von 40 Personen vor dem Eingang. Und es sind nicht nur junge Leute, die sich nach der Schule über Ausbildungsplätze in der Region informieren wollen. Es kommen auch auffallend viele ältere Semester – so wie eine Mittvierzigerin aus Kronshagen. Pflegeberufe durch Corona attraktiver: „Ich bin schon lange in meinem Beruf. Aber Corona hat gezeigt, dass selbst sicher geglaubte Arbeitsplätze wegfallen können. Noch bin ich nicht betroffen, aber ich wenn ich noch einmal umsatteln will, dann jetzt“, erklärt sie und informiert sich dann beim Universitätsklinikum und der DRK über Pflegeberufe. „Die Pflegeberufe sind durch Corona in den Fokus gerückt. Plötzlich sind wir systemrelevant“, sagt die Oberin von der DRK-Heinrich-Schwesternschaft Maria Lüdecke, und hofft, dass sie bei der Jobmesse möglichst viele Interessenten für die neue Pflegeausbildung findet. „Wir brauchen dringend Pflegekräfte, wollen aber auch zeigen, dass wir viele andere Arbeitsplätze bieten, zum Beispiel IT-Kaufmann oder Kaufmann für Büromanagement.“ Viel Infos über Weiterbildung: Auch drei junge Männer aus dem Kreis Plön gehören zu denen, die eigentllich schon auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben. „Wir wollen uns nach Alternativen umsehen. Breiter aufstellen, weiterbilden, krisenfest machen und zu dritt ist hier sogar ein gewisser Spaßfaktor dabei“, sagt ein Mittzwanziger und entspricht damit genau den Erwartungen von Arbeitsminister Bernd Buchholz (FDP). Denn Corona hat schon jetzt den Arbeitsmarkt negativ verändert und das verlangt von den Erwerbstätigen viel Flexiblität. Allein in den letzten Monaten ist die Arbeitslosenzahl um 18000 Menschen gestiegen. „Wir haben jetzt fast 100000 Arbeitslose im Land, dazu noch 100000 in Kurzarbeit und die können nicht alle sicher sein, auch zurück auf ihren Arbeitsplatz zu kommen“, sagte Buchholz. Deshalb sei es wichtig, der Arbeitsminister, dass die Jobmesse auch eine eigene „Weiterbildungsstraße“ biete, wo sich Frauen und Männer auch über andere Chancen für die ihre Zukunft informieren können. Die Jobmesse findet auch am Sonntag, 25. Oktober, von 11 bis 17 Uhr in der Messehalle von Mercedes-Benz Süverkrüp Automobile in Kiel-Wittland, Daimlertraße 1, statt. Der Eintritt ist frei, es besteht Maskenpflicht.