Kälte und Sturm in Kiel: Jeder hat sein Rezept gegen die Kälte

Eins vorweg: Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, einen Marktbeschicker zu finden, der zugibt, dass es kalt ist. In aller Herrgottsfrühe draußen den Stand aufbauen, die Ware platzieren und bei jedem Wetter für die Kunden verfügbar sein – das ist die DNA der Wochenmarkthändler. Tanja Kohrt von Früchte Kohrt aus Bordesholm lächelt daher nur aus ihrem Stand am Exerzierplatz und sagt: "Ein echter Marktbeschicker friert nicht." Lesen Sie auch: Sturm und Kälte: So ist die Lage Sie untermauert das mit einem Blick hinter sich, wo ein Ofen steht: "Alles aus", sagt sie. Aber ein kleiner Seitenhieb auf den Kollegen muss dann doch sein, wenn von "langer Unterhose" die Rede ist. Sie haben so ihre Tricks, die Marktspezialisten, auch wenn selbst die an ihre Grenzen gelangen können. Am Sonnabendvormittag ist es minus zwei Grad kalt, die schlauen Wetter-Apps sprechen von gefühlten minus sieben. Kohrt räumt ein: "Noch zehn Grad kälter, dann würde ich hier nicht stehen." Das Obst würde nicht überleben, und außerdem kämen kaum Kunden. Dick eingepackt sind vor allem die Besucher: Einen ähnlichen Balanceakt muss Martin Vollmer vollbringen: Der Blumenhändler aus Postfeld kann seinen Stand mit Glasscheiben abdichten. "Dann stehe ich hier im Aquarium", scherzt er. Doch was ihm nützt, hilft seiner Ware nicht. "Die Blumen gehen dann alle auf", sagt er, "es wird zu warm." So hat er es lieber offen und mit einer warmen Tasse in der Hand. "Wir standen hier auch schon einmal bei minus 18 Grad", sagt er im traumhaften Tulpenmeer. Nur sein Wagen, der sei ihm auch mal auf der Landstraße gen Kiel eingefroren. Lesen Sie auch: Jetzt wird es klirrend kalt Wirklich dick eingepackt sind dagegen so einige Marktbesucher: Ins Auge fallen Bianka Langer und Manfred Sperling, die sich der sogenannten Steampunk-Stilrichtung verschrieben haben. Dahinter steckt die Vermischung von Kleidung der viktorianischen Zeit mit mechanisch-technischen Elementen, wie sie beispielsweise in der Literatur von Jules Verne vorkommen. "Naturstoffe und Zwiebellook halten uns besonders warm", sagt Langer. Aber sie hat auch einen ganz modernen technischen Trick: ein elektrischer Handwärmer inmitten ihres Fellmuffs. Grundsätzlich entschleunige dieser Kleidungsstil und ringe vielen ein Lächeln ab. An der Kiellinie peitschen Wind und Wellen: Etwas zu lachen haben am Sonntag an der Kiellinie nur die Freunde ganz extremer Wetterlagen: Der Ostwind peitscht an die Küste, Wellen schlagen regelmäßig über die Kaimauer und das Ostseewasser gefriert auf den Geh- und Radwegen. Es sind wieder minus zwei Grad Celsius, doch inzwischen weist die App gefühlte minus elf Grad aus: Die allermeisten bleiben bei dem eisigen Sturm zu Hause. Streckenweise ist Kiels Promenade, an der vor Kurzem eine Maskenempfehlung bei Überfüllung ausgesprochen wurde, nicht nur sprichwörtlich wie leergefegt. Eine Klientel aber ist hellauf begeistert: Hobby-Fotografen. Jeder Zweite trägt eine Kameratasche. Darunter ist auch Katja Eggers: Die Kielerin hat gerade einen neuen Apparat, liebt es, sich an die Wasserkante zu hocken und auf die nächste Welle zu warten, die ihr entgegenschlägt. Die eisigen Temperaturen blendet sie dabei zumindest kurzfristig aus. Warme erste Lagen sind ihr Erfolgsrezept gegen die Kälte. Ob die Kamera aber ein Erfolg ist, muss sich erst im Nachhinein zeigen: Um die Fotos auf dem Display zu betrachten, ist es dann doch etwas zu kalt. Tatsächlich bereut es fast jeder, die Hände aus den Handschuhen gezogen zu haben. Das gilt auch für die Smartphone-Fotografen, die sich kurz von den Eiszapfen an Vorsprüngen und Kanten verzaubern lassen.