Kämpfer im Interview zur Kiellinie: "Wir lassen auch Autovariante prüfen"

Unmut beim Unternehmerverband, Ärger bei Geschäftsleuten, eine lautstarke Bürgerinitiative an der Kiellinie: Was haben Sie in den vergangenen Wochen falsch gemacht? Ulf Kämpfer: Wir haben an einigen Stellen nicht gut genug kommuniziert und lernen daraus, dass wir uns nicht allein auf die Ortsbeiräte verlassen können. Besserer Austausch kann zu besseren Lösungen führen. Schließlich betont auch der Unternehmensverband, dass die Verkehrswende ein gemeinsames Projekt sei. Lesen Sie auch: Unternehmer fordern Augenmaß Ein Hauptvorwurf beim Thema Kiellinie ist, dass sich die Stadt schon auf eine Sperrung für Pkw festgelegt habe. Ist das so? Nein. Das war auch nie so. Diesen Vorwurf erheben einige politische Akteure wider besseres Wissen. Hätten wir etwas stur durchdrücken wollen, hätten wir das längst gemacht. Stattdessen läuft die Bürgerbeteiligung schon seit dem vergangenen Jahr. Seit dem Probeversuch haben wir gesagt: Wir können uns eine autofreie Kiellinie vorstellen. Lasst uns eine Diskussion beginnen. Jetzt haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht. Da gibt es einerseits sehr viel Zustimmung, aber auch viel Kritik. Deswegen haben wir im September in den Schwedenkai eingeladen. Jetzt diskutieren die Ortsbeiräte. Bleibt es bei dem Vorschlag, mit einer Sperrung zu planen? Den wollen wir angesichts der Kritik modifizieren: Wir möchten den Gestaltungswettbewerb für den umstrittenen Nord-Abschnitt öffnen und auch eine Variante mit Autoverkehr planen lassen. 15 Planungsbüros sollen dann der Jury 30 Vorschläge machen. Darüber reden wir jetzt mit den Ratsfraktionen. Wir als Verwaltung werden außerdem die Auswirkungen auf den Verkehr in der Nachbarschaft noch eingehender prüfen und überlegen, wie der Verkehr sich steuern lässt. Lesen Sie auch: Autofreie Kiellinie spaltet die Kieler Sie geben den Kritikern also recht: Waren bisher weder die Daten für Ihren Vorschlag ausreichend noch die Kommunikation aus dem Rathaus? Wir haben immer gesagt, wir erheben die Verkehrsdaten begleitend. Und wir haben immer gesagt, wir horchen mit unserem Vorschlag erst einmal in die Stadtgesellschaft. Das hat ergeben, dass wir beide Alternativen durchdenken sollten. Das ist für Fachplaner zwar ziemlich aufwendig. Aber die Bedeutung und der Streit um das Projekt rechtfertigen das. Dann kann man am Ende zwischen zwei Konzepten wählen. Vertagt das die Entscheidung nicht einfach nur? Schließlich hieß es von Ihnen stets, Platz für alle Verkehrsmittel in guter Qualität sei nicht da. Die endgültige Entscheidung käme ja ohnehin erst nach dem Wettbewerb. Wir wollen beide Optionen noch genauer durchspielen, gleichzeitig das Verfahren nicht verlangsamen. Zum Schluss hat die Stadtgesellschaft alle Informationen. Das erscheint mir als der beste Weg, eine breit getragene Lösung zu finden. Wie wollen Sie diese Unterstützung messen? Das kann ich noch gar nicht sagen. Entweder wird die Ratsversammlung entscheiden oder es werden Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt. Ich bestimme es jedenfalls nicht. Bürgerentscheide können zwar eine befriedende Wirkung haben, ich bin ein Verfechter direkter Demokratie. Allerdings haben wir mit Olympia, dem Flughafen und Möbel Kraft bislang über deutlich größere Themen abgestimmt. Ob Kiellinie, Südspange oder Parkplätze: Die Rathauskooperation ist in der Verkehrspolitik gespalten. Wie sehr nervt Sie das? Ich hätte es lieber anders. Aber es spiegelt die unterschiedlichen Meinungen zur konkreten Umsetzung der Mobilitätswende wider. Insofern ist es in Ordnung, wenn auch in der Kooperation unterschiedliche Positionen vertreten sind. Aber es darf nicht die Arbeit lähmen – so wie im Moment manchmal. Sie haben versprochen, die Kommunikation zu verbessern. Wie soll das gelingen? Tiefbauamt und Wirtschaftsreferat bereiten schon seit Längerem ein Konzept vor, wie wir Baustellen und Verkehrsänderungen noch besser kommunizieren können und transparenter planen. In Kürze ist es fertig. Der Ärger am Königsweg beweist, wie wichtig das ist. In Friedrichsort beispielsweise hat man sich wegen der langen Baustelle am Schusterkrug rechtzeitig zusammengesetzt und letztlich gute Vereinbarungen getroffen, die die Belastung abmildern. Das soll uns möglichst immer gelingen. Lesen Sie auch: Der Schusterkrug ist jetzt dicht Was ändert sich dadurch konkret? Wir wollen auf jedes betroffene Unternehmen vor Beginn der Bauarbeiten rechtzeitig zugehen. Auch die anderen Bauträger in der Stadt wie Stadtwerke oder Telekom sollen eingebunden werden. Außerdem möchte ich angesichts der emotionalen Debatte in der Stadt einen Mobilitätswende-Beirat gründen, der sich mit Großbaustellen, Fahrradprojekten, Stadtbahn und mehr befasst. Dort sollen Vertreter der Verkehrsarten, Wirtschaft oder Ortsbeiräte zusammenkommen. So ein großer Kommunikationsweg ist angesichts der Klima- und Mobilitätsziele wichtig. Wir wollen Anfang des Jahres starten. Zuletzt haben etliche Pendler aus dem Osten über die Verkehrssituation geklagt. Können Sie den Vorwurf des UV Kiel, dass die Stadt zu schnell zu viel will, nachvollziehen? Die meisten Baustellen wie jene am Theodor-Heuss-Ring haben mit der Mobilitätswende nichts zu tun. Sie sind Sanierungen für den Autoverkehr, nachdem die Straßen jahrzehntelang vernachlässigt wurden. Dabei gibt es ab und an Verzögerungen, die oft nicht in unserer Hand liegen. Ich verstehe den Frust zwar. Aber wenn wir jetzt nicht sanieren, müssen wir die Straßen irgendwann sperren. Dann wäre der Ärger noch größer. Ostring und Theodor-Heuss-Ring werden aber Nadelöhre bleiben. Daher müssen Alternativen zum Pkw-Verkehr her, weil der Straßenraum voll ist. Die KVG hat schon das Angebot ausgeweitet, der Fahrradanteil steigt stetig, und wir müssen bei den Fähren noch nachlegen. Wir haben uns zunächst darauf konzentriert, die Flotte zu erneuern. Ich möchte mehr Fährlinien zum Ostufer. Dafür brauchen wir aber auch finanzielle Beteiligung aus dem Kreis Plön. Fragen: Kristian Blasel und Niklas Wieczorek