Kaufleute kontra Poller: Aufstand auf dem Bebelplatz in Kiel-Elmschenhagen

Nun kämen Kunden und Lieferanten mit dem Auto nicht mehr zu ihnen ran, klagen die Beschwerdeführer. Das sind der Apotheker Holger Scherliess, der Optiker Rolf Erben und der Versicherungsagent Marc Schweers. Die Gewerbetreibenden vom Bebelplatz haben an diesem Morgen Besuch vom Kieler Landtagsabgeordneten Tobias von der Heide (CDU). Sie haben den Kieler CDU-Chef eingeladen, um ihm ihr Leid zu klagen. Von der Heide erkennt hier einen zweiten Fall Kriwat. Zur Erinnerung: Das Sanitätshaus Kriwat am Königsweg in der Innenstadt hatte öffentlich beklagt, über das neue Einfahrverbot zu seiner Straße nicht vorab informiert worden zu sein. Die Stadtverwaltung hatte danach für die mangelhafte Kommunikation um Entschuldigung gebeten. „Der Oberbürgermeister stellt die Gewerbetreibenden und die Anwohner auch in Elmschenhagen mal wieder vor vollendete Tatsachen“, sagt von der Heide an die Adresse von Ulf Kämpfer. „So gewinnt man die Menschen nicht für eine Verkehrswende.“ Gerade hier am Bebelplatz gebe es Alternativen zur „üblichen Autovergrämung“. E-Mail an den Kieler Oberbürgermeister: Die Elmschenhagener Geschäftsleute gehen nun den gleichen Weg wie Kriwat: Sie haben dem Oberbürgermeister eine E-Mail geschrieben. Darin beklagen sie „erhebliche Auswirkungen auf die Verkehrssituation am Bebelplatz sowie einen stark negativen Einfluss auf den Einzelhandel vor Ort mit dem entsprechenden Lieferverkehr.“ Tatsächlich grenzen die Metallpoller auf einer Länge von 50 Metern den Radweg am Bebelplatz von der Fahrbahn ab – allerdings auch gleich die ganze Freifläche vor den Läden der Geschäftszeile. Stadtsprecher Arne Gloy teilt dazu mit: „Die Poller schützen den Radweg vor illegal parkenden Fahrzeugen.“ Damit werde das Halteverbot am Bebelplatz „nun auch baulich umgesetzt“. Die Straße selbst sei breit genug für den Verkehr, solange niemand das Auto illegal am Fahrbahnrand abstelle, so Gloy. Anlieferungen könnten legal über die Lieferzone auf dem öffentlichen Parkplatz neben dem Gebäude erfolgen. Zweifel an Brandschutz und Rettungswegen: „Über den vorbeugenden Brandschutz und die Offenhaltung von Rettungswegen hat man sich nach Aussagen der Feuerwehr ebenfalls keine Gedanken gemacht“, klagen die Geschäftsleute weiter. Eine Zufahrtsmöglichkeit für Feuerwehrwagen zu der Wohn- und Geschäftsimmobilie ist tatsächlich nicht zu erkennen. Keiner der Poller ist beweglich. Dazu Gloy: „Vor dem Aufstellen der Poller wurde auch mit der Feuerwehr gesprochen. Grundsätzlich dürfte ein einfacher Poller die Feuerwehr nicht vom Retten abhalten.“ Gewerbetreibende fordern Verkehrskonzept: Die Geschäftsleute fordern ein umfassendes Verkehrskonzept für den Bebelplatz. Sie würden zum Beispiel gern den Radweg nach innen auf ihre Freifläche versetzen, damit neben der Fahrbahn ein Parkstreifen für Kurzzeitparker entstehen kann. Auch eine gegenüberliegende Rasenfläche sei als Parkplatz geeignet. Zudem müsse für den Lieferverkehr zum Rewe-Markt schräg gegenüber eine Lösung gefunden werden. Rewe plane einen umfassenden Ausbau. Ortsbeirat Elmschenhagen/Kroog greift das Thema auf: Der Vorsitzende des Ortsbeirats Elmschenhagen/Kroog, Detlef Langfeldt (SPD), äußert zwar Verständnis für die Poller. Zugleich teilt Langfeldt aber den Vorwurf, dass weder die Betroffenen noch der Ortsbeirat über die Maßnahme informiert worden seien. Der Ortsbeirat habe das Tiefbauamt zur nächsten Sitzung am 27. Oktober eingeladen, so Langfeldt. „Da werden wir das thematisieren.“ Dazu erinnert der Radverkehrsbeauftragte der Stadt, Uwe Redecker, an eine Radtour mit Langfeldt am 10. März: „Da wurde vereinbart, nach Möglichkeiten zu suchen, das illegale Parken auf dem Radweg zu unterbinden.“ Geschäftsleute vom Bebelplatz in Kiel erinnern an Wahlkampfversprechen: Die Gewerbetreibenden erinnern Kämpfer in ihrer E-Mail an ein Wahlkampfversprechen vom August 2019. Damals hatte er ein Nahversorgungskonzept zugesagt. „Stattdessen bekommen wir Poller“, sagt Apotheker Scherliess. Er spricht von einer „Nacht- und Nebelaktion“ der Stadt und von einem „Schlag ins Gesicht“. Ultimatum an die Stadt Kiel: Die Geschäftsleute fordern den Verwaltungschef auf, „die Poller bis zum 31. Oktober 2020 wieder entfernen zu lassen“. Außerdem bitten sie ihn, „den Worten Taten folgen zu lassen, um so den Einzelhandel zu stärken und nicht, wie in anderen Stadtteilen Kiels, durch nicht abgestimmte Maßnahmen zu schwächen“. Das sagt der Kieler Oberbürgermeister: Kämpfer zeigte auf Nachfrage für einen Teil der Vorwürfe Verständnis. „Ich verstehe und teile die Ungeduld der Gewerbetreibenden und Kunden“, teilte Kämpfer mit. Neuplanungen des Einkaufsbereichs lägen aber nicht allein in der Hand der Stadt. „Am Anfang muss die Einigung zwischen Privaten – in diesem Falle Rewe und Vonovia – stehen“, so Kämpfer. „Im Rahmen des dann folgenden Bebauungsplanverfahrens wird neben der städtebaulichen Konzeption auch ein Mobilitätskonzept entwickelt.“ Stadtsprecher Gloy versichert: „Die Stadt wird mit den Unternehmen Kontakt aufnehmen, um über deren Sorgen und über die Entwicklung am Bebelplatz zu sprechen. Weitere Kieler Nachrichten lesen Sie hier