Kiel: Kieler Hauptausschuss streitet mit Ulf Kämpfer um digitale Sitzungen

Die außerplanmäßige Debatte ging vom Ausschussvorsitzenden Hans-Friedrich Traulsen (SPD) aus. Traulsen fragte Kämpfer unvermittelt nach dem Stand der Technik für Video-Konferenzen der Ausschüsse, Ortsbeiräte und Beiräte. „Das geht mir nicht schnell genug“, warf der Ratsherr seinem neben ihm sitzenden Parteifreund mit ruhiger Stimme an den Kopf. Hintergrund: In Kommunen wie Stockelsdorf, Pinneberg und Flensburg können Sitzungen der Selbstverwaltung längst digital stattfinden. Lesen Sie auch: Was Kiel von Stockelsdorf lernen kann In Kiel fallen dagegen seit dem 15. Dezember 2020 fast alle Ausschüsse der Ratsversammlung sowie alle Sitzungen der Ortsbeiräte und der Beiräte für Senioren und Menschen mit Behinderung und auch der Junge Rat wegen Corona aus. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer in der Defensive: Der Verwaltungschef geriet in der Debatte schnell in die Defensive. Flensburg arbeite mit dem datenschutzrechtlich umstrittenen Konferenzanbieter Zoom, maulte Kämpfer: „Das tut sonst keine Stadt!“ Und in Neumünster habe die Technik in der Erprobung nicht stabil gestanden. Die Lösung in Kiel solle dagegen „rechtlich und technisch einwandfrei“ sein, sagte Kämpfer. Im Übrigen befinde man sich „in hervorragendem Austausch“ mit anderen Kommunen und mit den Kommunalverbänden. Kieler Ratsleute haben da ein paar Fragen: Die Grüne Bettina Aust nannte die Landesregierung als Vorbild. Das Bildungsministerium etwa arbeite ausschließlich mit europäischen Servern. Ob Kiel das nicht auch könne? Ihr Parteifreund Sven Krumbeck monierte die Kieler Rechtsauffassung. „Hier sollen nur dringende Sitzungen digital stattfinden können“, sagte er. „Pinneberg macht inzwischen alle Sitzungen per Video.“ Krumbeck fragte: „Ist das Auslegungssache? Was müssen wir tun, damit es zugunsten aller Sitzungen ausgelegt wird?“ Eine Antwort bekam er nicht. SPD-Fraktionschefin Gesa Langfeldt sprach sich dagegen aus, dass die Ratsversammlung und ihre Ausschüsse sich in künftigen digitalen Sitzungen ausschließlich auf dringliche und notwendige Themen beschränken sollten. Kiel will mit den wichtigsten Beschlussgremien anfangen: Der Oberbürgermeister wand sich. Digitale Sitzungen dürften nur der Notfall sein, sagte Kämpfer: „Präsenz ist der Normalfall!“ Alle Sitzungen, auch die der Ortsbeiräte und Beiräte, per Video abzuhalten, werde technisch nicht möglich sein, räumte der Verwaltungschef ein. Kiel wolle mit den wichtigsten Beschlussgremien anfangen. Er nannte die Ratsversammlung, den Haupt- und den Finanzausschuss. CDU-Fraktionschef Rainer Kreutz fragt nach den Ortsbeiräten: „Und die Ortsbeiräte wollen Sie nicht ausstatten?“, fragte CDU-Fraktionschef Rainer Kreutz. „Die wollen ja tagen, sie brauchen nur die Technik dafür!“ Kämpfer bekräftigte: „Top-Priorität haben die rechtlich notwendigen Sitzungen der Beschlussgremien. Auf die konzentrieren wir uns.“ Kreutz hakte nach: „Dann können die Ortsbeiräte mindestens bis zum Sommer nicht tagen.“ Er fragte, ob denn wenigstens die Ratsversammlung – wenn schon nicht am 18. Februar, dann doch am 18. März – digital tagen könne? Kämpfer kleinlaut: „Wir haben das System noch nicht in der Erprobung.“ Kiel: Wann können alle Gremien wieder tagen? Der Grüne Krumbeck suchte nach einem anderen Ausweg. Er fragte, wie niedrig die Corona-Inzidenz in Kiel sein müsse, damit alle Gremien wieder in Präsenz tagen könnten? „Da gibt es keine klare gesetzliche Vorgabe“, antwortete Kämpfer. Umgekehrt wolle er aber auch nicht bei der gegenwärtigen Inzidenz von 32 den Notfall erklären, in dem Sitzungen digital ermöglicht werden müssten. Außerdem: „Es geht etwas verloren in der Demokratie, wenn sie digital tagt.“ Grüne Fraktionschefin Anke Oetken widerspricht Ulf Kämpfer ausdrücklich: Das rief die grüne Fraktionsvorsitzende Anke Oetken auf den Plan. „Die Demokratie leidet erst recht, wenn sie gar nicht tagt“, schleuderte sie Kämpfer entgegen. „Der Notfall hängt nicht an der Inzidenz, der Notfall liegt im Ausfall der Sitzungen!“ Sie habe da „eine dezidiert andere Auffassung“ als der Oberbürgermeister.