Wer kümmert sich um wohnungslose Frauen?

Die Stadtmission hat für ihr neuestes Projekt fast alles auf den Weg gebracht: Das Land spendet drei Container, die zum Tiny House, zum Kleinsthaus, umgebaut werden sollen. Architekten haben bereits die Umbaupläne entworfen. Die Stadtverwaltung und die Pröpstin Almut Witt unterstützen das Projekt. „Allein uns fehlt die Kirchengemeinde“, sagte Karin Helmer, Leiterin der Stadtmission. In der Kirchengemeinde werde das Tiny House dann aufgestellt, zwei wohnungslose Frauen sollen einziehen und mit Unterstützung von Gemeindemitgliedern in den Stadtteil integriert werden. So wird das Tiny House finanziert: Der Umbau der Container zum Tiny House soll finanziert werden durch das „Konzert gegen die (gesellschaftliche) Kälte“. Mit der Benefizveranstaltung sammelt die Stadtmission jedes Frühjahr Geld, um wohnungslosen Kielern gezielt mit Projekten zu helfen. Das diesjährige Konzert mit den Künstlern Stefan Gwildes und Laith Al-Deen war Corona-bedingt abgesagt worden und ist nun um ein Jahr verschoben worden. Auch das aktuelle Tiny House-Vorhaben ist wegen der Pandemie ins Stocken geraten. Das „Konzert gegen die Kälte“ auf der Krusenkoppel wird es erst wieder im nächsten Jahr geben. Wegen der Corona-Pandemie wurde es in diesem Frühjahr mit Stefan Gwildis und seiner Band sowie dem Laith Al-Deen Trio abgesagt – ebenso der avisierte Termin im 9. September. Nun gab der Veranstalter der Benefizveranstaltung, die Stadtmission Kiel, den neuen Termin bekannt: Am 1. Mai 2021 soll das „Konzert gegen die Kälte“ wie ursprünglich geplant auf der Krusenkoppel stattfinden. Beginn ist um 17 Uhr. Tickets für das abgesagte Konzert 2020 behalten ihre Gültigkeit. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, gekaufte Eintrittskarten dort zurückzugeben, wo sie gekauft wurden. Bei Eventim gebe es derzeit noch Tickets für den 9. Septmeber zu kaufen. Diese Tickets gelten ebenfalls für den neuen Termin in 2021. Karin Helmer ist seit Anfang des Jahres auf der Suche nach einer Kirchengemeinde in Kiel, die bereit ist, zwei wohnungslose Frauen aufzunehmen. „Diese Frauen sollen zunächst in das Tiny House einziehen, welches bestenfalls in der Nähe des Gemeindehauses aufgestellt werden soll.“ Ziel ist es aber, dass die Gemeinde den Frauen im Stadtteil eine Wohnung vermittelt, damit dann die nächsten beiden wohnungslosen Frauen in das Tiny House einziehen können. „Wir haben großes Interesse, dass es ein Erfolg wird", so Helmer. „Denn es ist ein Modellprojekt, von dem wir uns einen Schneeballeffekt erhoffen." Pröpstin Witt unterstützt das Projekt und hilft bei der Suche: Auch Pröpstin Almut Witt findet „dieses Projekt für obdachlose Frauen ganz besonders wichtig, weil Frauen noch sehr viel mehr gefährdet sind als Männer. Wir sollten jede Möglichkeit nutzen, diese Frauen zu unterstützen, auch wenn dieses Projekt nur für wenige ist“. Das Konzept hat Witt den Kirchengemeinden bereits vorgestellt: „Wir haben sie gebeten zu überprüfen, ob es Grundstücke und Möglichkeiten gibt, ein oder zwei Tinyhäuser aufzustellen.“ Neben der Stadtmission sollten dann auch ehrenamtliche Kirchengemeindemitglieder, die Frauen begleiten. Auf die Frage, warum sich bisher noch keine Gemeinde gefunden hat, erklärt Almut Witt: „Wir sind natürlich auch etwas ausgebremst. In der Corona-Zeit standen leider andere Themen im Vordergrund, aber wir werden das Tiny House wieder auf die Tagesordnung setzen.“ Sozialdezernent Gerwin Stöcken begrüße das Projekt ebenfalls, berichtet Helmer: „Die Stadt wird die baurechtliche Genehmigung erteilen und die Zuleitungen stellen.“ Die Entwürfe für den Umbau der drei vom Land gestellten Container kommen aus dem Architekturbüro Schmider und Dau. Architekt Schmieder erklärt, wie aus den drei Container ein Tiny House wird: Christian Schmieder, Landesvorsitzender BDA Schleswig-Holstein, sagt: „Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung wahr und unterstützen dieses tolle Projekt mit unseren Planungen.“ Wenn ein Standort gefunden ist, könne die Außenverkleidung der umliegenden Bebauung und den Wünschen der Gemeinde angepasst werden. Das Gebäude bestehe generell aus drei gereihten Containern. In den äußeren Modulen befinde sich jeweils eine Wohnung mit insgesamt etwa 20 Quadratmetern. Der mittlere Container ist quer geteilt und bietet jeweils ein Bad für jede Wohnung. „Die Module werden komplett eingerichtet und mit hellen und freundlichen Materialien ausgestattet sein", so Schmieder. Helmer: Durch Corona steigt die Zahl der Wohnungslosen: Karin Helmer prognostiziert, dass durch die Pandemie die Zahl der wohnungslosen Menschen in Kiel noch weiter steigen werde. Als Gründe für Wohnungs- und Obdachlosigkeit nennt sie die Situation am Wohnungsmarkt mit zu wenigen kleinen Sozialwohnungen bei gleichzeitiger Zunahme derjenigen, die günstigen Wohnraum suchen. Dazu zählt Helmer geflüchtete Menschen, die einen Status bekommen, die zunehmende Armut, die Zunahme an Menschen die wegen Sucht oder psychischer Erkrankungen ihre Wohnungen verlieren. Der Anteil wohnungsloser Frauen steige auch deswegen, weil zunehmend Witwen kleine Wohnungen suchen: Frauen also, die sich nach dem Tod des Ehemanns die große Wohnung mit ihrer kleinen Hinterbliebenenrente nicht mehr leisten können. Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Bis sich Frauen als wohnungslos zu erkennen geben und in einer Beratungsstelle Hilfe suchen, vergehe mehr Zeit als bei Männern. „Das Schamgefühl bei Frauen ist größer, viele kommen auch eine Zeit lang bei Bekannten unter.“ Dort komme es immer wieder zur Gefälligkeitsprostitution, „das ist natürlich ein großes Problem“. Helmer betont den Unterschied zwischen obdachlos und wohnungslos: In Kiel gebe es zwar 1200 wohnungslose Menschen, aber nur 50 obdachlose. Als obdachlos bezeichnet sie Menschen, die draußen schlafen, also Platte machen. Wohnungslose schlafen nicht unter Brücken, sondern in städtischen Notunterkünften, in Hotelzimmern oder bei Bekannten. „Von Wohnungslosigkeit bin ich selbst, sind wir alle nur einen Schritt entfernt. Es gibt eben Lebenssituationen, die schnell in die Wohnungslosigkeiten führen, etwa wenn man sich die größere Wohnung nicht mehr leisten kann und keine kleinere findet, oder wenn man aufgrund eines traumatischen Ereignisses anfängt zu trinken und sein Leben nicht mehr auf die Reihe kriegt.“ Mehr Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier. Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Corona-Regeln: Wer muss in Schleswig-Holstein die Abstandsregel einhalten? Großveranstaltungen bleiben bis Ende Oktober verboten Kiellauf und Drachenboottage 2020 fallen aus Segeln plus X: Neuregelung keine Bremse für Kieler Woche light Zu alt für Corona-App: Wenn die Installation am Handy scheitert Corona-Frage: Trotz Quarantäne zum Briefkasten? 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