Kiel: Trassen-Studie zeigt Streckenverlauf der neuen Stadtbahn

Jetzt wird es konkret. Die Trassen-Studie für ein hochwertiges ÖPNV-System (HÖV) in Kiel nimmt Formen an. Akribisch haben die Gutachter und Planer einen Streckenverlauf für das Kernnetz der Stadtbahn erarbeitet, das sie am 7. Mai im Ostseekai erstmals öffentlich vorstellen wollen. Die Trassen-Studie konkretisiert die Grundlagen-Studie. Darin waren fünf Korridore identifiziert worden, auf denen die größte Nachfrage nach einem hochwertigen ÖPNV-System ermittelt worden war: Nord in die Wik, Nordwest über Universität nach Suchsdorf, West nach Mettenhof, Südost nach Elmschenhagen und Nordost nach Wellingdorf. 130 Kilometer Strecke haben die Planer geprüft; 34 Kilometer haben sich als realistische Streckenführung herauskristallisiert. Das ausgearbeitete Konzept wartet mit überraschenden Weiterungen auf. Über die Holtenauer Straße in die Wik: Die Nord-Trasse kann nach aktuellem Planungsstand über Sophienblatt, Andreas-Gayk-Straße, Holstenbrücke, Martensdamm, Bergstraße, Dreiecksplatz, Holtenauer Straße und Schleusenstraße bis zur Kanalfähre in der Wik geführt werden. An der Kreuzung Belvedere soll eine Sackgasse auf die Projensdorfer Straße Richtung Holstein-Stadion abzweigen. Die Stichhaltestelle dort soll bei Heimspielen des Profifußballclubs und anderen Anlässen mit hoher Nachfrage genutzt werden. Abstecher nach Projensdorf: Die Nordwest-Trasse nach Suchsdorf soll – Stand jetzt – an der Beselerallee von der Nord-Trasse auf der Holtenauer Straße abzweigen und über die Olshausenstraße durchs Unigelände führen. Offen ist noch, ob die Trasse danach im hohen Bogen über den Torfmoorkamp und den Steenbeker Weg bis zur Eckernförder Straße auf Kieler Stadtgebiet bleiben oder ob sie vorher schon über die Johann-Fleck-Straße auf der Eckernförder Straße durch Kronshagen geführt werden soll. Dies hänge auch davon ab, wie die Nachbargemeinde sich dazu positioniert, sagt Projektleiter Christoph Karius. In jedem Fall soll die Trasse in Suchsdorf am Rungholtplatz enden. Der Clou der Nordwest-Trasse ist am Torfende ein Abzweig ins Zentrum von Projensdorf über den südlichen Charles-Roß-Ring. Dort haben die Gutachter ein hohes Nachfragepotenzial ermittelt. Auf kürzestem Weg nach Mettenhof: Der Entwurf der West-Trasse ist vergleichsweise einfach. Sie folgt vom Ziegelteich und Exerzierplatz schlicht dem Kronshagener Weg und dem Skandinaviendamm durch Hasseldieksdamm bis nach Mettenhof, wo sie über den Jütlandring wendet. Mitten rein nach Gaarden: Auf der entworfenen Nordost-Trasse soll der Stadtteil Gaarden über Gablenzbrücke, Karlstal, Elisabethstraße und Vinetaplatz erschlossen werden – also mittendrin statt nur vorbei über die Werftstraße. Grund ist auch dort das höhere Nachfragepotenzial. Erst nördlich vom Vinetaplatz soll die Trasse auf die Werftstraße geführt werden. Sie kann sich dort zwischen Werftgelände und Werftpark hindurchschlängeln, auf der Schönberger Straße den Seefischmarkt mit dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung passieren und über eine neue Schwentinebrücke parallel zum Ostring bis nach Neumühlen-Dietrichsdorf hinein führen. Vorgesehen ist dort auch ein Abzweig zur Fachhochschule Kiel. Im hohen Bogen durch Elmschenhagen: Die Südost-Trasse soll nach gegenwärtigem Planungsstand über Gablenzbrücke, Karlstal, Helmholtzstraße, Röntgenstraße und Preetzer Straße fast an die Bundesstraße 76 heranführen, dann aber nach links über Villacher Straße, Ellerbeker Weg und Weinberg Elmschenhagen-Nord erschließen und erst über die Wiener Allee und den Wiener Kreisel die B 76 kreuzen. Im Elmschenhagen-Süd führt die vorgeschlagene Trasse über Reichenberger Allee und Franzbadener Straße und endet am Pfaffenteichgraben, vielleicht mit Weiterführung bis an die Allgäuer Allee. Vorhaltetrasse im Süden, Schnellbusse im Norden: Soweit der Planungsstand für das Kernnetz. Unberücksichtigt sind darin noch Anbindungen des Kieler Südens und des Kieler Nordens. Im großen Wohnbaugebiet „Stadtdorf Meimersdorf“ im Süden wird allerdings eine sogenannte Vorhalte-Trasse für eine Anbindung an die Stadtbahn freigehalten. Im Norden nicht. Der Sprung über den Kanal auf einer neuen Brücke scheitert an zwei Höhen: der Höhe der Brücke und der Höhe der Kosten. Stattdessen sehen die Planer für Holtenau, Pries, Friedrichsort und Schilksee neue Schnellbusnetze vor, die über die Levensauer und die Holtenauer Hochbrücke in der Wik und in Suchsdorf mit dem Kieler Stadtbahnnetz verknüpft werden können. Lesen Sie auch Grünes Licht für die Stadtbahn im Kieler Süden Im November entscheidet die Ratsversammlung: Jetzt haben in einer Reihe von Beteiligungsveranstaltungen (siehe Info-Kasten) erst einmal die Bürgerinnen und Bürger das Wort. Am Schluss dieser Planungsetappe soll Mitte September eine Empfehlung der Planer stehen. Darüber wird dann die Kieler Ratsversammlung beraten und am 17. November abschließend entscheiden. Den Online-Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern zur Stadtbahnplanung will die Stadtverwaltung am Mittwoch, 27. April, auf www.kiel.de/mobil starten. Dort sind auch Darstellungen zum aktuellen Stand der Trassenplanung sowie fachliche Kriterien zur Bewertung der Systemfrage einsehbar, ob Kiel eine schienengebundene Straßenbahn oder einen reifengeführten Busrapidtransport (BRT) bekommen soll. Ein großes öffentliches Informationsforum für Bürgerinnen und Bürger ist für Sonnabend, 7. Mai, von 11 bis 18 Uhr im Ostseekai vorgesehen. Auch dort wird es vor allem um die Trassenführung gehen. Außerdem werden fachliche Kriterien zur Bewertung der Systemfrage vorgestellt, ob Kiel eine schienengebundene Straßenbahn oder einen reifengeführten Busrapidtransport (BRT) bekommen soll. Fünf offene Trassen-Spaziergänge in den Stadtteilen sind vom 9. bis 13. Mai jeweils von 17 bis 19 Uhr anberaumt: am 9. Mai in der Wik (Treffpunkt Belvedere, Holtenauer Straße/Ecke Düvelsbeker Weg), am 10. Mai in Gaarden (Treffpunkt Werftstraße/Ecke Karlstal neben der Polizei), am 11. Mai in Elmschenhagen (Treffpunkt Tiroler Ring/Ecke Wiener Allee vor der Hermann-Löns-Schule), am 12. Mai in Projensdorf (Treffpunkt Steenbeker Weg/Ecke Torfende an der Bushaltestelle Torfende, am 13. Mai in Mettenhof (Treffpunkt Stockholmstraße/Ecke Skandinaviendamm bei der Tankstelle. Die Systemfrage: Tram oder BRT? Der Rat muss dann auch die Systemfrage beantworten. Soll Kiel wieder eine Straßenbahn auf Schienen ( Tram ) bekommen, oder genügt ein bereifter Busrapidtransport ( BRT )? Die Planer und Gutachter haben dazu 43 fachliche Kriterien in sechs Kategorien erarbeitet: Nutzerfreundlichkeit, Betrieb, Wirtschaftlichkeit, übergeordnete Ziele, Umwelt sowie gesellschaftliche und verkehrliche Verträglichkeit. Sie wollen die Kriterien für beide Systeme checken und dem Rat auf dieser Grundlage eine Systemvariante empfehlen. Eine Kombination beider Systeme schließen sie aus. Tram hat mehr Kapazität: Klar ist den Planern bereits, dass für eine Tram 43 Fahrzeuge angeschafft werden müssten: 23 Fahrzeuge mit 54 Metern Länge und Platz für 375 Fahrgäste sowie 20 Fahrzeuge mit 45 Metern Länge und Platz für 325 Fahrgäste. Mit einer Bahnsteighöhe von 350 Millimetern wäre sie an eine mögliche Regionalbahn im Umland anschlussfähig. Für einen Busrapidtransport wären 88 Schnellbusse von 25 Metern Länge und Platz für 160 Fahrgäste anzuschaffen. Bahnsteighöhe: 300 Millimeter. Wegen der geringeren Kapazität müssten BRT-Busse im Fünf-Minuten-Takt fahren und damit doppelt so oft wie die Tram, für die in Hauptverkehrszeiten ein Zehnminutentakt vorgesehen ist. Baustart 2027, Betriebsstart 2030: Der Zeitplan sieht für 2023/24 die Vorplanung und Planung der Stadtbahn vor, für 2025/26 die Genehmigungsphase, für 2027 den Baubeginn und für 2030 den Betriebsstart auf der ersten Linie. Projektleiter Karius nennt den Zeitplan ambitioniert. Nils Jänig vom internationalen Planungsbüro Ramböll hebt hervor, das Geheimnis einer erfolgreichen Stadtbahnplanung sei es, sie entschlossen voranzutreiben. „Planungspausen sind Gift“, sagt Jänig. „Wir warten auf niemanden. Wir warten nur auf uns selbst.“