Kiel diskutiert Stadtbahn oder Schnellbus

Die Zukunft des Öffentlichen Personennahverkehrs in Kiel ist vier wichtigen Ausschüssen der Ratsversammlung am Mittwochabend eine einstündige Sondersitzung wert gewesen. Im Ratssaal kamen der Haupt-, der Bau-, der Wirtschafts- sowie der Innen- und Umweltausschuss in großer Runde zusammen. Die Verwaltung informierte sie über die Grundlagenstudie zur Einführung eines neuen ÖPNV-Systems, die zwei Planungsbüros im Auftrag der Stadt erstellt hatten (wir berichteten). 41 Prozent weniger Autos bis 2035: Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) erinnerte an das erklärte Ziel der Stadtpolitik, bis 2035 den Autoverkehr um 41 Prozent zu verringern. Er betonte, dass das Gutachten zum ÖPNV nicht zwingend die Position der Stadt sei. Drei Kernaussagen teile die Stadt allerdings ausdrücklich: Es bedarf eines neuen ÖPNV-Systems über die KVG-Busse hinaus. Das System muss auf eigener Trasse geführt werden. Und es gibt fünf geeignete Korridore dafür: Sie verbinden Dietrichsdorf mit der Wik, Neumühlen mit Suchsdorf und Elmschenhagen mit Mettenhof. Keine Antwort auf die Frage: Geht das überhaupt? Projektleiter Christoph Karius stellte die Grundlagenstudie vor. Sie weise die Nachfrage, den Nutzen und die Förderfähigkeit eines neuen ÖPNV-Systems nach. Was sie nicht liefere, sei ein Nachweis der technischen und baulichen Realisierbarkeit, also die Antwort auf die Frage: Geht das überhaupt? Die Untersuchung, ob die Straßenquerschnitte ausreichen, müsse mit der Trassenplanung von Mitte 2020 bis Ende 2022 folgen. Anfang 2023 soll die Ratsversammlung dann die Frage Schiene oder Straße entscheiden. Die Umsetzungsplanung werden dann fünf Jahre in Anspruch nehmen, der Bau einer Pilotstrecke noch mal drei bis fünf Jahre. Sie könne 2030 bis 2032 fertig sein. Die Kosten im Vergleich: Karius stellte die möglichen Kosten eines Bus-Rapid-Transportsystems (BRT) denen einer Straßenbahn gegenüber. Danach sind Infrastruktur und Fahrzeuge fürs BRT mit 185,7 Millionen und 92,9 Millionen Euro deutlich günstiger zu haben als für die Tram mit 411,5 und 174,7 Millionen Euro. Die Kosten für den Betriebhof sind mit je 45 Millionen Euro gleich hoch. Die jährlichen Betriebskosten unterscheiden sich mit 64 (BRT) und 65,4 Millionen Euro (Tram) kaum. Die möglichen jährlichen Erlöse sind bei der Tram mit 51,9 Millionen Euro höher als bei Schnellbussen mit 47,3 Millionen Euro. Entsprechend unterscheidet sich der jährliche Zuschussbedarf aus der Stadtkasse: 16,7 Millionen Euro fürs BRT, 13,5 Millionen Euro für die Straßenbahn. Straßenbahn kann nicht über den Nord-Ostsee-Kanal geführt werden: Auf Nachfrage der Ratsherren Stefan Kruber (CDU) und Marcel Schmidt (SSW) enthüllte Tiefbauamtsleiter Peter Bender einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen BRT und Tram: Eine Straßenbahn auf Schienen könne auf keinen Fall auf den Hochbrücken über den Nord-Ostsee-Kanal in den Kieler Norden geführt werden. Mit Schnellbussen gehe das, wenn auch wegen der begrenzten Kapazität der Brücken nicht auf eigener Trasse, sondern nur im Mischverkehr mit den anderen Fahrzeugen. Und im Nordosten erfordere eine Verlängerung über die Schwentine Richtung Laboe in beiden Fällen eine neue Schwentine-Brücke, sagte Bender. Andere Städte haben gute Erfahrungen gemacht: Die Frage des Linken Thomas Herrmann, welche Erfahrungen andere Städte mit Widerstand gegen eine Zurückdrängung des Autoverkehrs gemacht hätten, beantworteten die Gutachter selbst: Bei anfänglicher Skepsis in Handel, Gewerbe und Bevölkerung habe sich doch stets die Einsicht durchgesetzt, dass eine Stadtbahn – ob mit oder ohne Schiene – „eine große Chance für die Stadtentwicklung“ sei und die Städte stets attraktiv umgestaltet worden seien. Den Kommentar unseres Kieler Lokalchefs Kristian Blasel zur Verkehrsstudie lesen Sie hier Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier

Kieler Rat - Stadtbahn oder Schnellbus? Wo und wie?