Vom Mützenkult zur Meisterschmiede

Auf eine lange Geschichte blickt der Kieler Kanu-Klub (KKK) zurück: Am heutigen Mittwoch wird er stolze 100 Jahre alt. Feiern kann der Verein das allerdings wegen der Corona-Pandemie erst einmal nicht. „Der 24. März ist aber nur ein Datum. Das Feiern verschieben wir“, sagt Vorsitzender Thilo Weichert. Zusammenkommen möchten die Kanuten trotzdem. „Am Sonnabend werden wir eine Art Straßenverkauf machen. Der Vorstand wird von 10 bis 16 Uhr in unserem rundum sanierten Umbau anwesend sein und den Mitgliedern, die nacheinander vorbeischauen, höchstpersönlich – natürlich mit Mundschutz und Abstandswahrung – ein frisch gedrucktes Exemplar unserer Jubiläumsschrift überreichen.“ Zeit für einen kurzen Plausch und ein Glas Sekt sollte dabei auch drin sein. „Gefeiert wird dann hoffentlich Anfang Juni.“ Kanufahren war etwas für die gehobene Mittelschicht: Am 24. März 1921 gründete sich der Verein. „Es war der erste Kanuclub in Schleswig-Holstein“, sagt Thilo Weichert stolz. Nach dem Ersten Weltkrieg sei das Bedürfnis groß gewesen, Geselligkeit und Natur zu erleben und dabei einen friedlichen Wettkampf zu haben, erklärt der Vorsitzende. Am besagten Märztag trafen sich elf Herren im Bürgerbräu, um den Kieler Kanu-Klub zu gründen. Am Wall wurde ein alter Schuppen aufgetan und zur provisorischen Bootslagerstätte sowie dem Klubhaus hergerichtet. „Früher war das Kanufahren etwas sehr Elitäres. Nur die gehobene Mittelschicht tat das.“ Und das zeigten sie auch gerne. Die sogenannten Senioren, also Mitglieder, die mindestens fünf Jahre im Verein waren, trugen stets ihre Mütze mit entsprechendem Wappen. Vorn oberhalb des Mützenschirms war das „Pour le Mérite“ des „Kieler Kanu-Klubs – Senioren“ zu sehen. In der Mitte war die KKK-Flagge, eingerahmt von einem Lorbeerkranz. Die „Junioren“ durften die gleiche Flagge führen. Allerdings war bei ihnen der Lorbeerkranz dünner und führte nur bis zur Hälfte. Hierarchisch standen die Kanufahrer allerdings unter den Seglern und Ruderern. Im Dritten Reich erlebte der Kieler Kanu-Klub düstere Zeiten: Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, stellte sich der Kanu-Klub hinter die neue Regierung. „Mit Pauken und Trompeten sind sie in den Nationalsozialismus gegangen. Ein düsterer Teil unserer Vereinsgeschichte“, sagt Thilo Weichert. Auch das Führerprinzip wurde im Verein übernommen. Es gab einen strengen Trainingsplan, die Kanufahrer wurden für Einzelkämpfer-Aktionen im Krieg ausgebildet. Eine Trainingsgruppe gab es erstmals auch für Frauen. Während des Zweiten Weltkriegs stand das Vereinsleben dann still. Viele Mitglieder mussten in den Krieg ziehen, viele kamen nicht zurück. „Nach dem Krieg schaffte der Verein die Wendung. Das demokratische Leben kehrte zurück“, sagt Jurist Weichert, der von 2004 bis 2015 Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein war. Alle Bevölkerungsgruppen wurden in dem Verein aufgenommen. Der Rennsport wurde zum Schwerpunkt für den KKK. 1952 fuhr Vereinsmitglied Karl-Heinz Schäfer bei den Olympischen Spielen in Helsinki im Kajakzweier auf Platz sechs. Auch Deutsche Meisterschaften konnte der erfolgreiche Kieler Klub gewinnen. 1974 initiierte der Verein eine Kanu-Regatta zur Kieler-Woche, die sich schnell zu einem nationalen Wettbewerb entwickelte. Besondere Erfolge verbuchten auch die Frauen: Dörte Reh gewann im Kanu-Marathon beim World-Cup 1962 den Titel. Sechsmal wurde sie Deutsche Meisterin im Kanumarathon. Heute leitet die vielfach ausgezeichnete Sportlerin die Rennsportabteilung im Verein. Inklusion schon lange ein Teil des Vereins: Inklusion ist ebenfalls ein Aushängeschild des Kieler Kanu-Klubs. Schon seit 30 Jahren geht Holger Suhk regelmäßig mit den Beschäftigten des Handwerkerhofes Fecit und anderen Sportlern und Sportlerinnen mit Beeinträchtigung paddeln. „Es hat bloß nie Inklusion bei uns geheißen“, gesteht Holger Suhk. Häufig starten sie am Anleger in Achterwehr. „Dort ist das Wasser etwas ruhiger als auf der Förde“, erklärt Holger Suhk. Doch auch auf der Förde wird gepaddelt. „Wir versuchen gerade, einen Bereich der Reventlouwiese barrierefrei umzubauen“, sagt Thilo Weichert. Denn für Rollstuhlfahrende sei es noch schwierig, alleine ins Boot zu kommen. Seit 2012 startet der KKK regelmäßig bei den Special Olympics. Finanziell erlebt der Verein allerdings gerade eher düstere Zeiten. Eigentlich wollte Kiels einziger Sternekoch Mathias Apelt, der zuvor neun erfolgreiche Jahre im Kieler Kaufmann gekocht hatte, einen Teil des Vereinsheims für sein neues Restaurant pachten. Umgebaut und eingerichtet hat er es bereits. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Mathias Apelt darf nun nicht öffnen. „Die Renovierungskosten und auch den Lohn seiner Angestellten muss er trotzdem zahlen“, erklärt Thilo Weichert. „Hilfen vom Staat bekommt er nicht, weil er vor der Pandemie noch nicht geöffnet hatte.“ Der Verein setzte die Pachtzahlungen aus. „Ein Mitglied hat dem KKK finanziell geholfen, deswegen konnten wir den Verlust erst einmal abfedern. Doch das ist nur eine sehr kurzfristige Lösung.“ Wie das finanzielle Loch nun aber gefüllt werden soll, weiß Weichert nicht: „Wir hoffen, dass die Pandemie schnell abflaut.“

Kieler Kanu-Klub wird 100 Jahre alt - Vom Mützenkult zur Meisterschmiede