Kieler Ortsbeiräte: Basisdemokratie im Lockdown

So langsam kommen nach der ersten Januarwoche gewöhnlich auch die Ortsbeiräte wieder in die Gänge. Jedoch fängt das neue Jahr genauso an wie das alte aufgehört hat: Mit einem weitgehenden Lockdown für die Demokratie an der kommunalen Basis. Den ersten coronabedingten Ausfall für 2021 vermeldete der Ortsbeirat Pries-Friedrichsort. Seine für den 6. Januar vorgesehene Sitzung wurde abgesagt. Es hagelte für den Januar bereits weitere Absagen aus anderen Ortsbeiräten. An den Absagen führt bis auf Ausnahmefälle, die sehr dringende Angelegenheiten betreffen, weiterhin kaum ein Weg vorbei. Digitale Sitzungen sind bislang nur theoretisch möglich: Zwar lassen die Gemeindeordnung des Landes und die Hauptsatzung der Stadt Kiel mittlerweile digitale Sitzungen per Videokonferenz rechtlich zu, aber „solange wir nicht auch die Geschäftsordnungen der Ortsbeiräte entsprechend geändert haben, sind ihre Sitzungen nur als Präsenzveranstaltungen möglich“, heißt es aus dem Büro des Stadtpräsidenten. Unter den verhinderten Volksvertretern weckt das durchaus Unbehagen. Obwohl Ortsbeiräte keine Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen abgeben können, verfügen sie in der Praxis über erheblichen Einfluss. Aber dazu müssen sie tagen. Was wird aus dem Fonds "Gemeinsam Kiel gestalten"? Aktuell betrifft das in allen Kieler Stadtteilen zum Beispiel den Fonds „Gemeinsam Kiel gestalten“. 300 000 Euro stecken auch für dieses Jahr in dem Topf, der auf breiter Ebene bürgerschaftliches Engagement unterstützen soll. Das Interesse ist regelmäßig sehr groß. Eine Chance haben dabei in der Regel nur Initiativen, die das positive Votum eines Ortsbeirats mitbringen. Was aber voraussetzt, dass sie ihre Projekte ebendort vorstellen können. Lesen Sie auch: Digitale Ortsbeiräte sind Zukunftsmusik Genau daran hapert es derzeit massiv. Und die Zeit drängt. In allen 18 Ortsbeiratsbezirken hätte in diesem Monat das Schaulaufen der Bewerber vonstattengehen sollen. Im März sollen bereits die Gremien der Ratsversammlung am Zug sein, um die Voten der Ortsbeiräte zu bestätigen oder zu verwerfen. Jetzt wird es mit den Fristen entsprechend knapp. Es würde nur noch eine Ortsbeiratsberatung im Februar reichen. Danach ginge nichts mehr. Die Kieler Ortsbeiräte würden unwiderruflich ein Stück Mitwirkungsrecht verlieren. Notfalls gibt es nur ein informelles Meinungsbild: Dieses Dilemma sehen natürlich auch die Verantwortlichen im Büro des Stadtpräsidenten – und deuten einen Ausweg an: „Sollten auch im Februar immer noch mehrere Ortsbeiräte zu der Einschätzung gelangen, dass ihnen die Durchführung einer Sitzung nicht zumutbar erscheint, müsste man mit dem Amt für Kultur und Weiterbildung die Situation besprechen und abklären, inwieweit eine Fristverlängerung und Verzögerung des gesamten Prozesses für ,Gemeinsam Kiel gestalten’ denkbar ist.“ Eine andere Möglichkeit wäre es nach Einschätzung der Verwaltung, einen informellen Meinungsaustausch der Ortsbeiratsmitglieder per Videokonferenz zu organisieren. Dabei könnten zwar keine formellen Beschlüsse gefasst werden, wohl aber wäre es möglich, Meinungsbilder zu gewinnen und sie den übergeordneten politischen Gremien zu vermitteln. Das hätte zwar ein bisschen den Geschmack von Hinterzimmer-Politik, wäre aber im Zweifel vielleicht immer noch besser als überhaupt keine Mitsprache. So jedenfalls sieht es in der Tendenz der Ortsbeirat Gaarden, der bereits über solche Kompromisslösungen nachdenkt. Öffentlichkeit muss sichergestellt werden: Keinerlei Unterschiede zwischen Politik und Verwaltung gibt es unterdessen zu der Frage, was der Königsweg der Beteiligung auf Stadtteilebene wäre. „Die Öffentlichkeit der Sitzungen der kommunalen Gremien ist ein zentraler Aspekt der Demokratie“, heißt es unwidersprochen in der Stellungnahme aus dem Büro des Stadtpräsidenten. Diese Öffentlichkeit auch für digitale Sitzungen herzustellen – und sie in nichtöffentlichen Sitzungsteilen gegebenenfalls auch wieder auszuschließen –, ist eine technische Anforderung, die noch nicht gelöst ist. Die Landesverwaltung arbeitet derzeit an einer praktikablen Lösung für alle schleswig-holsteinischen Kreise, Städte und Gemeinden. Federführend für die Kommunen ist das Team des Kieler Chief Digital Officers (CDO) Jonas Dageförde an der Forschung beteiligt.