Landstrom im Kieler Hafen: Jetzt hat auch Stena einen Stecker

Am Ostseekai entsteht derzeit eine der größten Landstromanlagen Europas für die Versorgung von zivilen Schiffen. Bislang verfügte nur die Marine über derartig große Anlagen im Marinestützpunkt. Am Schwedenkai wurde bereits zu Wochenbeginn ein Übergabekran für die Fähren der Stena Line installiert. „Wir wollen künftig 60 bis 70 Prozent des Energiebedarfs der Kiel anlaufenden Schiffe emissionsfrei und klimaneutral mit Ökostrom decken“, so Dirk Claus, Geschäftsführer der Seehafen Kiel GmbH. Damit nimmt Kiel eine Vorreiterrolle unter den europäischen Häfen ein. Testbetrieb ab Anfang August: „Anfang August werden wir mit den Schiffen der Stena Line den Testbetrieb aufnehmen“, sagt Claus. Bei einer Leistung von 16 Megavoltampere (MVA) kann die neue Landstromanlage ein Kreuzfahrtschiff am Ostseekai und eine Fähre am Schwedenkai parallel versorgen. Schiffsseitige Emissionen werden so während der Hafenliegezeit fast komplett vermieden. So kann der Ausstoß von Klimagasen um mehrere tausend Tonnen CO2 im Jahr in Kiel gesenkt werden. Neuland ist die Landstromtechnik für Stena jedoch nicht. In Göteborg werden die „Stena Germanica“ und die „Stena Scandinavica“ bereits seit 2011 während der Liegezeit mit Landstrom versorgt. Die schwedische Anlage funktioniert reibungslos. Seit 2012 funktioniert die Landstrom-Technik auch in Hoek van Holland bei Rotterdam. Dabei setzt die Reederei auf Technologie mit Steckern der Schweizer Firma Cavotec. Kosten sorgten für Verzögerung: Der Grund, warum es mit dem Anschluss der Fähren in Deutschland so lange gedauert hat, waren die Kosten. Im Gegensatz zu Norwegen, Schweden und die Niederlande liegen die Preise pro Kilowattstunde für Landstrom in Deutschland durch die EEG-Umlage fast 50 bis 70 Prozent höher. Da der Strom von Land im Wettbewerb zum Dieselgenerator an Bord steht und die Preise für Öl gerade extrem niedrig sind, haben sich die Reedereien in Deutschland mit der Nutzung schwer getan. Die Reederei hatte aber mehrfach erklärt, dass sie Landstrom nutzen werde, wenn es auch wirtschaftlich vertretbar ist. Nachdem die EEG-Umlage für Landstrom im vergangenen Jahr durch eine Gesetzesänderung reduziert wurde, steigt jetzt die Bereitschaft der Reeder. In Kiel werden fast 15 Millionen Euro in den Bau der Landstromversorgung für den Ostseekai und den Schwedenkai investiert. Das Technikgebäude der neuen Landstromanlage, in dem sich auch eine Garage sowie die Ladestation für den Kabelwagen befinden, ist fast fertiggestellt. Die von der Firma Siemens gelieferten elektrischen Komponenten sind bereits verbaut. „Die Arbeiten konnten auch in der aktuellen Situation nahezu planmäßig durchgeführt werden“, sagt Claus. Drei Passagierterminals in der Innenstadt landstromfähig: In Kiel sind nunmehr alle drei Passagierterminals in der Innenstadt landstromfähig. Am Kieler Norwegenkai beziehen die im Liniendienst nach Oslo eingesetzten Kreuzfahrtfähren „Color Magic“ und „Color Fantasy“ bereits seit dem Sommer 2019 täglich Landstrom. Hier läuft der Betrieb inzwischen reibungslos. Wobei die Technik der beiden Anlagen sehr unterschiedlich ist. Die Color Line nutzt andere Stecker als die Stena Line. Bislang gibt es nur bei Kreuzfahrtschiffen, Nato-Kriegsschiffen und Containerschiffen einheitliche Stecker-Systeme. Die jetzt vor der Fertigstellung stehende neue Anlage am Ostseekai ist mit den Anschlüssen an den beiden Liegeplätzen 27 und 28 einheitlich. Dort soll noch in diesem Sommer mit ersten Tests begonnen werden. Bislang haben Aida Crusies, Costa Cruises, Hapag-Lloyd und Tui Cruises den Willen zur Abnahme von Strom in Kiel bekundet. Weitere Reedereien sollen dann sukzessive hinzukommen, wenn es die Anschlüsse und die Schiffe erlauben. Der Hafen ist dazu in Gesprächen mit den übrigen Reedern. Das Ziel des Seehafens steht: „Wir werden den in der Blue Port-Konzeption beschriebenen Weg konsequent beschreiten und bis zum Jahr 2030 klimaneutral arbeiten“, so Dirk Claus. Der Kieler Hafen ist internationalen Klimaschutzzielen damit zeitlich deutlich voraus. Weitere Projekte zur Emissionsreduzierung sind bereits in Planung. So soll nach Seehafen-Mitteilung in einem nächsten Schritt auch der Ostuferhafen mit einem Landstromanschluss ausgestattet werden, damit auch dort Fähren und Kreuzfahrer während der Liegezeit Strom beziehen können. Mehr zu Kiel lesen Sie hier Von Behling Frank