Lotto-Laden in Kiel-Wellsee: Abschied vom „Tante-Karola“-Laden

„Ich war immer im Verkauf tätig“, erzählt die 67-Jährige, die aus Mecklenburg stammt, nach Berlin zog und seit 1998 in Kiel lebt. Nachdem sie arbeitslos geworden war, erfüllte sie sich ihren Traum und machte sich selbstständig. „Ich hatte in den KN eine Anzeige gesehen und habe den Lotto-Laden übernommen“, erzählt sie. Von der Zahnpasta bis zur H-Milch gab es alles zu kaufen. „Es war ein richtiger Tante-Emma-Laden – oder besser Tante-Karola-Laden“, meint sie in Anspielung auf ihren Vornamen. Diese Situation änderte sich, als vor einigen Jahren ganz in der Nähe ein Supermarkt öffnete und für Konkurrenz sorgte. Die Ladeninhaberin konzentrierte sich daraufhin auf Lotto, Post, Zeitschriften und Tabakwaren. „Die Post ist unser wichtigstes Standbein“, erzählt sie und nennt Beispiele für Kundenaufträge: „Junge Frauen bringen Retouren aus Internetbestellungen, und Mitarbeiter kleinerer Firmen geben Päckchen und Pakete mit Warenlieferungen auf.“ Lotto-Geschäft ein wichtiges Standbein: Doch auch das Lotto-Geschäft sei wichtig. Viele Kunden wählen die Zahlen ihres Geburtsdatums, weiß die Inhaberin, die selbst keine Ader für Glücksspiele hat. Bis zu 1000 Euro darf der Lotto-Laden auszahlen. „Ein Kunde, der einmal 3000 Euro gewonnen hatte, hat mir 50 Euro abgegeben“, erzählt Vester. Etwa 70 Prozent Stammkundschaft und 30 Prozent Laufkundschaft besuchen ihrer Einschätzung nach den Shop. Die agile, humorvolle und freundliche Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist, hat von Beginn an den persönlichen Kontakt zu ihren Kunden geschätzt. „Als eine meiner ersten Stammkundinnen gestorben ist, hat mich das sehr mitgenommen.“ Karteikarten an den Zeitschriften: Von sich selbst sagt sie: „Ich bin offen und höre anderen zu.“ Hinter dem Tresen liegen 30 Zeitschriften, an die sie jeweils eine Karteikarte mit dem Namen des Kunden festgeklammert hat. Mit einer ganzen Reihe von Käufern duzt sich die Ladeninhaberin inzwischen. Gern erinnert sie sich an ihren 60. Geburtstag: „Der Lottoladen sah aus wie ein Blumenladen.“ Doch es gibt nicht nur schöne Erinnerungen: „Am Anfang durften Kunden bei mir anschreiben, aber als mehrere von ihnen größere Summen nicht bezahlten, habe ich das Buch abgeschafft.“ Ungern denkt sie auch an eine längere Phase vor vier Jahren zurück, als die Segeberger Landstraße aufgrund von Kanalisationsarbeiten für den Durchgangsverkehr gesperrt war. „Das war finanziell eine harte Zeit“, meint die 67-Jährige. Ihr Mann hilft seit vier Jahren im Laden: Auch an dramatische Ereignisse, die sie selbst betroffen haben, denkt sie zurück. Kunden mussten einen Arzt im Nachbarhaus verständigen, als die Geschäftsinhaberin einmal einen Schlaganfall erlitt und ein anderes Mal eine Herzattacke. Ihr Mann, Harald Donner, war zu der Zeit nicht im Shop. Der Medizintechniker hilft seit vier Jahren, als er selbst in Rente ging, regelmäßig im Geschäft mit. Die Ehefrau beschreibt die Rollen im Laden so: „Ich bin vorn das Gesicht und er ist hinten der Finanzminister.“ Die Selbstständigkeit habe viel Arbeit mit sich gebracht. „Ich war gleichzeitig Chefin, Verkäuferin und Putzfrau“, meint sie. Neueröffnung im Dezember: Doch zugleich habe sie genossen, nur sich selbst gegenüber verantwortlich zu sein. Inzwischen hilft auch eine Angestellte im Geschäft, die das neue Pächterpaar weiterbeschäftigen möchte, wie Vester erfahren hat. „Bevor der Laden im Dezember öffnet, soll er renoviert werden“, informiert sie. „Die Poststelle bleibt erhalten und Schreibwaren kommen hinzu.“ Vester geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Ich freue mich darauf, mehr Zeit zu haben. Wir waren in den neun Jahren nur einmal im Urlaub“, erklärt sie. Außerdem kann sie sich vorstellen, ein Ehrenamt zu übernehmen, zum Beispiel im Krankenhaus oder Pflegeheim. Und möglicherweise zieht das Ehepaar in die Nachbarschaft von Elmshorn, um in der Nähe ihrer Kinder zu wohnen. Karola Vester ist stolz auf ihre sieben Enkelkinder. Für ihren letzten Arbeitstag plant sie keine Abschiedsfeier. „Es soll ein normaler Öffnungstag sein.“ Schon jetzt malt sie sich aus, wie sie den Rollladen zum letzten Mal herunterlassen wird. „Da werden meine Tränen reichlich fließen“, ist sich die Geschäftsfrau sicher. Mehr aus Kiel lesen sie hier.