Mamajun in Kiel: Ben Oliver Timm ist Deutschlands bester Koch-Azubi

Obwohl er jeden Tag hinter dem Herd steht, hat sich Ben Oliver Timm noch nicht an seine aktuelle Arbeitssituation gewöhnt. „Es fühlt sich schon merkwürdig an, dass immer alles so leer ist“, sagt der Küchenchef des Mamajun und blickt in den Gastraum des Restaurants. Hier darf nun schon seit Langem kein Besucher mehr Platz nehmen. Dafür stapeln sich die Einwegverpackungen für das Pick-up-Geschäft, auf das man Corona-bedingt mittags und abends setzt. Gerne erinnert sich Timm an den Sommer, als er seine Stelle gerade angetreten hatte und das Terrassengeschäft boomte: „Wir hatten alle Hände voll zu tun und die Leute haben es genossen, wieder essen gehen zu können.“ Jetzt müsse er jeden Gast, der es sich mit einem To-go-Gericht draußen bequem machen will, freundlich, aber bestimmt wegschicken. Vor diesem Hintergrund traf hier kürzlich auch eine eigentlich spektakuläre Nachricht auf unspektakuläre Weise ein. Das Telefon der 32-Jährigen klingelte, es war die Industrie- und Handelskammer und teilte ihm mit, dass er es in diesem Jahr zu Deutschlands bestem Koch-Azubi gebracht hat. Beim Abschluss seiner Lehre im Kieler Kaufmann erreichte Ben Oliver Timm 97 von 100 möglichen Punkten. Eine Acryl-Trophäe, die eine IHK-Mitarbeiterin danach vorbeibrachte, zeugt gegenständlich von dem Erfolg, der zugleich die Bestätigung einer späten beruflichen Umorientierung war. Ein familiärer Schicksalsschlag führte Ben Oliver Timm zur Entscheidung für den Kochberuf: Denn bevor er sich dazu entschloss, Koch zu werden, hatte Timm bereits eine andere Berufslaufbahn eingeschlagen. Nach einer Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann und einem im Anschluss daran berufsbegleitend absolvierten Studium der Betriebswirtschaft hatte er zuletzt projektbezogen für die Geschäftsführung des Lebensmittelhändlers Bartels-Langness gearbeitet – eine verantwortungsvolle Tätigkeit mit Entwicklungspotenzial. „Aber dann hat mich ein Todesfall im engeren Familienkreis grundsätzlich über mein Leben ins Nachdenken gebracht“, berichtet er. Dabei sei ihm klar geworden, dass er seinen gut bezahlten Bürojob lieber durch ein Berufsleben in der Küche ersetzen wolle, deren Welt ihn schon als junger Mensch faszinierte. Im Sternerestaurant Ahlmanns lernte der Azubi ein neues Kochlevel kennen: Nach einem Praktikum im Hamburger Anglo-German Club und einem weiteren im Kieler Kaufmann war ihm klar, dass das Hotel mit seinen beiden Restaurants der richtige Ort für die Lehre sein würde, die er auf anderthalb Jahre verkürzte. Ihre letzten Monate verbrachte er im Ahlmanns an der Seite von Kiels erstem Sternekoch Mathias Apelt: „Das hat mich sehr beeindruckt. Man lernt dabei, noch einmal auf einem ganz anderen Stresslevel zu arbeiten.“ Parallel half Timm an seinem freien Tag bereits im Mamajun aus und probierte eigene Gerichte aus: „Mich reizt die Verbindung regionaler Zutaten und Küchentraditionen mit kulinarischer Weltoffenheit“, bekennt er. Gerne spielt Timm auch mit Beilagen und ersetzt dabei Klassiker wie Reis und Kartoffeln durch Hafer oder Polenta. Ein besonderes Faible hat er zudem für die Street-Food-Kulturen der Welt, die er gerne in die Karte des Mamajun einfließen lässt. Und über die wachsende Nachfrage nach fleischlosen Gerichten freut sich Ben Oliver Timm nicht zuletzt deshalb, weil ihn auch sein bislang eindrucksvollster Restaurantbesuch nach München in das vegetarische Gourmetlokal Tian führte. Trotz des Lockdowns ist Ben Oliver Timms Mamajun-Küche in Kiel gefragt: Die eigene Kreativität im Rahmen eines reinen Abholgeschäfts pflegen zu müssen, sei natürlich nicht ideal, bekennt Timm und ergänzt, dass er sich natürlich vor einem ganz anderen Hintergrund für den Wechsel zum Kochberuf entschieden habe. Dann schaut er auf die Uhr und sagt, dass er sich nun dringend um das Mittagsgeschäft kümmern müsse. Denn selbst der harte Lockdown ändert nichts daran, dass der frisch gebackene Küchenchef bereits auf eine feste Fanbasis zählen kann.