Mehr Wohnungen und mehr Wohnungsnot in Kiel

Der nachlassende Druck liegt zum einen an der wie berichtet sinkenden Einwohnerzahl, vor allem aber daran, dass die Zahl der Wohnungen und die Bauintensität in Kiel 2019 deutlicher gestiegen sind als in den Vorjahren. „Die Bauintensität ist beachtlich“, sagt Stöcken. „Es wurden fast dreimal mehr Wohnungen fertiggestellt als 2018.“ In Zahlen: 2019 wurden laut Sozialbericht 1065 Wohnungen fertiggestellt. Der Wohnungsbestand ist auf 137 130 gewachsen. Der Index der Bauintensität beträgt 7,8. Das heißt: Auf 1000 Bestandswohnungen kommen 7,8 neue Wohneinheiten. Der Index liegt doppelt so hoch wie noch 2017 und sogar mehr als dreimal so hoch wie vor zehn Jahren. Die Zahl der Baugenehmigungen 2019 weist darauf hin, dass der Trend anhalten könnte: Es sind 801. Das sind satte 84 Prozent mehr als im Vorjahr. Typisch für Großstädte ist, dass mehr als drei Viertel aller Wohnungen in Kiel in Mehrfamilienhäusern liegen. Rund 16 Prozent sind Einfamilienhäuser, fünf Prozent liegen in Doppelhäusern. Wieder mehr neue Sozialwohnungen: Gleichermaßen als Sozial- und als Wohnungsdezernent freut Stöcken sich über diese Botschaft: „Auch die Zahl der neu fertiggestellten Sozialwohnungen ist signifikant gestiegen.“ Der Sozialbericht weist hier ein Plus von 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus. 2018 wurden 148 neue Sozialwohnungen fertig, 2019 waren es 239. Das ist der höchste Wert seit sechs Jahren. Dabei entfallen 31 Wohnungen auf altengerechtes und 155 auf studentisches Wohnen. Derzeit befinden sich weitere 156 Sozialwohnungen im Bau. Die Nachfrage nach Sozialwohnungen steigt: Gleichzeitig steigt allerdings auch der Bedarf an sozial gefördertem Wohnraum in Kiel. Es gibt immer mehr akute Wohnungsnotfälle. Das sind Menschen, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind. Ihre Zahl ist laut Sozialbericht binnen eines Jahres um 151 auf 1156 gestiegen. Unberücksichtigt sind dabei 1195 anerkannte Asylberechtigte, die noch in Unterkünften für Asylbewerber leben. Wohnungslos ist nicht gleich obdachlos: In dem Zusammenhang weist Stöcken auf die fachliche Unterscheidung zwischen Wohnungslosen und Obdachlosen hin. Danach ist wohnungslos, wer keinen eigenen Mietvertrag oder Wohneigentum hat. Das sind Menschen, die mit Nutzungsverträgen in Wohnraum eingewiesen oder in Notunterkünften untergebracht sind oder aus Not bei anderen Menschen unterkommen. Stöcken beziffert ihre Zahl in Kiel mit rund 1100. Obdachlos ist, wer im öffentlichen Raum, im Freien, in Gartengeländen oder in Schutzunterkünften übernachten muss oder will. Ihre Zahl liegt laut Stöcken in Kiel bei 50. Vor allem alleinstehende Männer sind von Wohnungslosigkeit betroffen. Unter den Wohnungslosen in Kiel sind 671 Männer, 252 Frauen und 237 Minderjährige. Davon sind 584 Männer und 128 Frauen alleinstehend. 230 Zwangsräumungen in Kiel 2019: Die steigende Zahl akuter Wohnungsnotfälle führt der Stadtrat vor allem auf Mietrückstände zurück. Wer zweimal die Miete nicht bezahlt, dem droht die Räumung. Stöcken appelliert: „Wohnungsverlust ist der tiefste Abstieg, den man sich organisieren kann. Es lohnt sich, frühzeitig Hilfe zu suchen.“ Er belegt das mit Zahlen. 2019 wurden beim Amtsgericht Kiel 446 Räumungsklagen wegen Mietrückständen eingereicht. Es wurden aber nur 230 Zwangsräumungen durchgezogen. Stöcken: „Bei Räumungsklagen besteht noch eine Chance von 50 Prozent, die Zwangsräumung abzuwenden.“ Dafür sei es „von großer Bedeutung, dass die helfenden Stellen möglichst frühzeitig über einen drohenden Wohnungsverlust informiert werden.“ Hilfe gibt es im Neuen Rathaus: Die Fachstelle dafür gehört zum Amt für Wohnen und Grundsicherung im Neuen Rathaus am Stresemannplatz 5. Sie berät säumige Mieter und vermittelt mit Vermietern. Es kann zu Ratenzahlungen, Wohnungstausch, Darlehen, Beihilfen oder Mietschuldenübernahmen kommen. Die Zahl der Anträge auf Regulierung der Mietschulden steigt seit Jahren. 2019 hat die Stadt 332 Anträge bewilligt und 540.000 Euro Mietschulden übernommen, um die betroffenen Menschen vor Wohnungslosigkeit zu bewahren. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier