Nach Querdenker-Demo ohne Maske in Kiel: SPD fordert Konsequenzen

Insgesamt sorgten drei größere Protestaktionen am Sonnabend in Kiel für Verkehrsbehinderungen. Klimaschützer sorgten für lange Staus auf der B76, Querdenker und Gegendemonstranten anschließend für Staus in der Innenstadt. Die Polizei löste eine Sitzblockade auf. Um halb zwölf wurde die B76 gesperrt, damit rund 250 Klimaschützer auf Fahrrädern auf dem Theodor-Heuss-Ring gegen die geplante Südspange und für eine Mobilitätswende in Kiel demonstrieren konnten. Aufgerufen hatte das Bündnis "Vorfahrt für den Klimagürtel". Weniger Autoverkehr in Kiel gefordert: An dem friedlichen Protest beteiligte sich auch eine Familie mit zwei Kindern. "Wir verzichten bewusst auf ein Auto, weil es in der Stadt auch mit dem Rad geht. Deshalb unterstützen wir das Klimabündnis und hoffen, dass der Autoverkehr deutlich reduziert wird – zumindest innerstädtisch ist das möglich", erklärte der Familienvater. Wenige Meter weiter gab es für das Engagement der Klimaschützer Applaus von Nicole Bauer und ihrer Tochter Jennifer. Beide leben seit drei Jahren am Theodor-Heuss-Ring. "Die Luftreiniger bringen nichts. Wenn ich das Fenster öffne, stinkt es nach wie vor nach Abgasen", erklärte die Mutter, "und hören tun wir sie auch. Dazu noch der Autolärm – das ist wirklich schlimm. Ich hatte mein Schlafzimmer zur Straße hin – das ging nicht. Jetzt schlafe ich nach hinten ‘raus.“ Aufruf, sich von Maskenpflicht befreien zu lassen: Nach einer knappen Stunde war die Kundgebung auf dem Theodor-Heuss-Ring beendet. Ein Großteil der Demonstranten radelte anschließend zum Ostseekai, um sich der Gegendemonstration gegen die Querdenker anzuschließen. Nach Polizeiangaben hatten sich dort rund 360 Anhänger der Querdenker-Bewegung versammelt. Für die Protestaktion gegen die Coronapolitik der Bundesregierung war bundesweit in einschlägigen Internetkanälen getrommelt worden. Außerdem war geraten worden, sich per ärztlichem Attest von der Maskenpflicht befreien zu lassen. Das wurde offenbar befolgt: Sehr viele Teilnehmer trugen keine Maske. Auch herzten und umarmten sich einige Teilnehmer zur Begrüßung und verstießen damit gegen das Abstandsgebot. Polizei: Müssen Atteste akzeptieren: Und die Polizei? "Wir haben die Maskenpflicht kontrolliert. Einige haben daraufhin die Maske aufgesetzt, viele konnten aber ein ärztliches Attest vorweisen – in diesen Fällen sind uns die Hände gebunden. Wir müssen die Atteste von Ärzten akzeptieren", erklärte Polizeisprecher Matthias Felsch anschließend. Letztlich sei nur einer Person ein Platzverweis erteilt worden. Dass sich viele Anhänger der Querdenker, die sich neuerdings „Kiel steht auf“ nennen, anschließend ohne Maske mit dem Demonstrationszug über die stark frequentierte Holtenauer Straße bewegten, wurde von vielen Passanten kritisiert. „Ich fühle mich bedroht. Diese Leute da ohne Maske gefährden meine Gesundheit“, schimpfte eine ältere Dame. Andere Passanten riefen genervt: "Maske auf!“ und "Sich als Humanisten geben und in Wirklichkeit die Gesundheit anderer gefährden!“ Straßenblockade aufgelöst: Der Versuch von Gegendemonstranten, den Protestzug der Querdenker durch eine Sitzblockade auf der Brunswiker Straße zu stoppen, wurde sofort von Polizisten unterbunden. Sie gingen rigoros gegen die Blockierer vor. „Es gilt das Versammlungsrecht. Wir müssen dafür sorgen, dass genehmigte Demonstrationen auf den genehmigten Routen stattfinden können“, erklärte Polizeisprecher Felsch. Immer wieder kam es während der Demonstration zu Wortgefechten zwischen Querdenkern einerseits und Gegendemonstranten und Passanten andererseits. Beispiel: „Wo, wo, wo ist eure Diktatur“, riefen Gegendemonstranten – eine Anspielung auf die Aussage von Querdenkern, die Bundesregierung errichte eine „Corona-Diktatur“. Antwort einer Mutter mit zwei Kindern: "Warte ab, dann merkst auch du es." Wortgefechte um die Pandemie: Andere Querdenker forderten von den Gegendemonstranten, sich „mal richtig über die Fake-Pandemie zu informieren“, worauf eine Gegendemonstrantin auf dem Rad konterte: "Ich bin Ärztin. Ich weiß schon, wo ich mich seriös informiere." Währenddessen verbreitete ein Sprecher der Querdenker-Demonstranten über Lautsprecher bekannte Narrative etwa über den Einfluss von Bill und Melinda Gates auf die Politik der Bundesregierung und gezielte Fehlinformationen über das Coronavirus. Bettina Jürgensen vom Bündnis gegen Rassismus und Faschismus wendete sich entschieden gegen solche Verschwörungserzählungen und die Leugnung des Coronavirus: "Wir wissen, dass es das Virus gibt. Wir wissen, dass es tödlich sein kann." Stadtpräsident: Gegen Querdenker positionieren: Stadtpräsident Hans-Werner Tovar hatte zuvor auf der Kundgebung vom Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus erklärt: "Es ist wichtig, dass sich die demokratischen Kräfte in Kiel konsequent gegen die Querdenker-Bewegung positionieren und das ist auch mein Platz als Stadtpräsident“. Die SPD in Kiel fordert ordnungspolitische Konsequenzen. „Es ist unerträglich, mit welcher Genugtuung Demonstranten ohne Maske bei diesem Infektionsgeschehen durch belebte Straßen gezogen sind“, erklärte Ratsherr Nesimi Temel. Damit sei klar geworden, dass die Teilnehmer definitiv durch ihr Nichthandeln die Solidarität der Gesellschaft angriffen. "Das muss ordnungsrechtlich aufgearbeitet werden."