Notbetreuung sorgt wegen Kontrollpflicht für Konflikte in Kitas in Schleswig-Holstein

„Uns ist es wichtig, dass Sie wissen, dass es uns fern liegt, womöglich unser bisheriges Vertrags- und Vertrauensverhältnis dadurch zu belasten. Wir müssen das machen.“ Die aktuelle Mitteilung der Kita Luv und Lee in Kiel gibt einen Einblick, in welcher Lage und Erklärungsnot sich die Kita-Leitungen in Schleswig-Holstein derzeit befinden. Nachweis für Notbetreuung "so einfach wie möglich": Vorerst bis Ende Januar wird in Kitas nur eine Notbetreuung angeboten: für Kinder, bei denen mindestens ein Erziehungsberechtigter in Bereichen der kritischen Infrastrukturen dringend tätig ist, sowie für Kinder von berufstätigen Alleinerziehenden. Vergangene Woche betonte Sozialminister Heiner Garg (FDP), dass die Beweispflicht der Eltern für einen Anspruch auf Notbetreuung weiterhin „so einfach wie möglich“ gestaltet werde. Eltern sollten keinen großen Aufwand betreiben müssen, um dies nachzuweisen. Lesen Sie auch: Lockdown an Schulen und Kitas: Wer Anspruch auf Notbetreuung hat Awo: Prüfung von zentraler Stelle wäre hilfreich: Die Regelung des Landes: für Eltern bequem, für die ohnehin strapazierten Kita-Leitungen eine Zusatzbelastung. Schürt das Konflikte? „Hilfreich wäre selbstverständlich, wenn die Prüfung, ob ein Anspruch auf Notbetreuung besteht, nicht in den Einrichtungen, sondern von einer zentralen Stelle übernommen werden würde“, sagt Gesa Kitschke, Bereichsleiterin der Kindertagesbetreuung der Awo Schleswig-Holstein. Die Awo hat für ihre Einrichtungen ein einheitliches Formular für Eltern angefertigt, das gut angenommen werde. Man wisse, dass die Not mancher Eltern groß sei. „Sicherlich gibt es hier vereinzelt Diskussionsbedarf über einen Anspruch auf Notbetreuung“, sagt Kitschke. Doch solche Probleme würden selten auftreten, weil die Regelung bereits aus dem ersten Lockdown im März bekannt sei. Lesen Sie auch: Inzidenz über 200: Die große Angst vor der Corona-Mutation in Eckernförde Telefon-Anmeldung zur Corona-Impfung ab Februar nur noch für Senioren Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Kirchenkreis Altholstein: "Dieses Problem können wir nicht lösen“: Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Ute Sündermann, Regionalleiterin Nord im Kirchenkreis Altholstein, Träger von 37 Kindertageseinrichtungen im Land. „Wirklich gebeutelt sind die Eltern, die im Homeoffice sind und gleichzeitig ihre Kinder betreuen müssen, weil sie keinen Anspruch auf Notbetreuung haben. Da rührt bei vielen Eltern die Verzweiflung her. Das spüren unsere Leitungen, und das Verständnis ist da. Doch dieses Problem können wir nicht lösen.“ Erzieherin aus Plön beklagt sich über Belastung der Kitas: Dennoch bekommen die Kitas den Unmut mancher Eltern zu spüren, sagt eine Erzieherin aus dem Kreis Plön, die anonym bleiben möchte. Sie berichtet von aufbrausenden Eltern, Missbrauch mit Systemrelevanz-Bescheinigungen und vollen Kitas trotz Lockdown. „Ich sehe da eine große Diskrepanz. Im Privatleben wird alles auf null gefahren, aber in der Notgruppe werden mehr als zehn Kinder betreut. Oftmals halb so viele Kinder wie bei der normalen Gruppengröße – das hat für mich nicht den Charakter einer Notbetreuung.“ Lesen Sie auch: Eltern fordern mehr Notbetreuung und Urlaubstage Zudem seien sie und ihre Kolleginnen vor Infektionen ungeschützt. „Ich kann nicht ermessen, wie viele Kontakte eine Familie in ihrer Freizeit pflegt. Und weil bei vielen Kindern der Krankheitsverlauf asymptomatisch ist, wissen wir nicht, wann und ob das Virus in unsere Einrichtungen gelangt“, so die Erzieherin. AOK-Studie: Erzieherinnen besonders corona-gefährdet: Wer beruflich mit Kindern arbeitet, hat einer Studie der AOK zufolge in der Tat das höchste Risiko, wegen einer Corona-Infektion krankgeschrieben zu werden. Die AOK veröffentlichte Ende Dezember eine Auswertung von 13,2 Millionen Versichertendaten. Auf 100000 Beschäftigte kommen in der Kinderbetreuung 2672 Corona-Erkrankungen. Die Daten sind zwar nicht repräsentativ, deuten aber doch auf einen Trend hin. Die Arbeit in der ersten Reihe ist mit Befürchtungen verbunden, und darüber gelte es zu reden, betont Stephanie Ulrich, Leiterin der Kita Noahs Arche in Kiel-Dietrichsdorf. „Wir sprechen offen darüber, sind ständig mit unserem Team im Austausch. Das kann helfen, Ängsten vorzubeugen, und gibt Halt.“ Konflikte mit Eltern, die eine Ablehnung der Notbetreuung nicht akzeptieren, habe es in ihrer Kita bisher kaum gegeben. Wichtig sei es, die Kommunikation der Einrichtungen, Eltern und Kinder im Lockdown aufrechtzuerhalten. Denn letztlich bliebe die Erkenntnis: „Kinder, Eltern, Erzieherinnen – wir sitzen alle im selben Boot.“