Prof. Ruth Boerckel von der FH Kiel im Coronatagebuch über Online-Lehre

Montag Montags habe ich normalerweise sechs Stunden Vorlesung. Heute aber beginnen die Interdisziplinären Wochen – zwei Wochen Unterbrechung des regulären Lehrbetriebs und stattdessen ein bunter Blumenstrauß von Vorträgen, Workshops, Projekten, Exkursionen, Einblicke in andere Studiengänge. Traditionell findet am ersten Montag in den „IDW“ die hochschulweite Dienstversammlung statt. So auch heute – allerdings digital. Das Geplauder auf den Gängen fehlt, die Grüße über die Bankreihen, das Gefühl, sich eingequetscht an Klapptischen in die eigene Studienzeit zurückversetzt zu fühlen. Auch wir hatten uns umgestellt, vieles vorbereitet für die Rückkehr zur Präsenzlehre, uns auf einen mit Studierenden belebten Campus gefreut. Keine zwei Wochen hat das Semester gedauert, da mussten wir wieder so gut wie alles runterfahren. Sicher, da gibt es ganz andere Probleme. Der Hochschulbetrieb läuft weiter, wir können Studierenden das Studium und den Erwerb ihrer Abschlüsse ermöglichen, müssen nicht um Existenzielles bangen. Dienstag Heute fahre ich nicht zur FH. Wir haben uns aufgeteilt. Jede Position am Fachbereich soll besetzt sein, aber nur mit einer Person. Das gilt für Verwaltung und Dekanat. Heute ist mein Homeoffice-Tag und heute kommen auch alle hauptamtlich am Fachbereich Wirtschaft Lehrenden zusammen. Einmal im Semester treffen wir uns, um uns auszutauschen. Ich öffne die Zoom-Konferenz, begrüße die ersten Eintreffenden. Der Blick auf den Hintergrund: Bücherwände, Treppengeländer, Bilder, Bücherwände, die bunten Dächer des zentralen Campusgebäudes, Bücherwände. Freundliche Gesichter. Ich muss an das Lied von Reinhard Mey denken: „Und da waren freundliche Gesichter und es war gut ein Lächeln zu sehen…“. Aber wer schaut mich an? Schaut man sich an? Die Sitzung vergeht schnell und endet pünktlich. Manchmal arbeitet man digital effizienter. Mittwoch Ab heute sind wir zu Hause wieder an drei Hochschulen unterwegs. Mein Mann in Hamburg, ich in Kiel, einer der Söhne in Münster. „Tübingen“ war bis letzte Woche vertreten. „Göttingen“ kommt nächste Woche und bleibt bis Weihnachten. Vier unserer sechs Kinder studieren: Kiel, Göttingen, Tübingen, Münster. Auf diese Weise mitzuerleben, wie es die anderen Hochschulen machen, ist für mich sehr spannend, zumal aus Studierendensicht. Beim Abendbrot folgender Dialog: „Mama, stell Dir vor, da haben wirklich einige der Studierenden die Kameras in der Vorlesung angeschaltet!“ Meine Reaktion: Augenroller, tiefes Seufzen. Eine Stunde haben wir uns in der Dienstversammlung die Köpfe heiß geredet, wie wir die Studierenden noch stärker motivieren, ihre Kameras einzuschalten, damit nicht nur wir Lehrende zu sehen sind. Donnerstag Es ist der Tag nach dem Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten. Für mich persönlich ändert sich durch die Neuerungen nichts. Mehr runterfahren können wir unseren Hochschulbetrieb nicht. Es hat sich gelohnt, dass wir den Sommer genutzt haben, um zwei Räume Homeoffice-tauglich zu machen. Ich treffe eine Studentin, die ihre Master-Thesis bei mir schreibt, in der Video-Konferenz. Das war ihr lieber als ein Telefonat. Und so lädt sie mich auf diese Weise in ihr zu Hause ein. Diese Nähe war bis vor kurzem unvorstellbar. Und es gehört ein enormes gegenseitiges Vertrauen dazu. Wir besprechen die Gliederung, wechseln noch ein paar Worte und winken uns zum Abschied. Corona-Regeln für Dezember: Teil-Lockdown bleibt, Schleswig-Holstein hält an 10-Personen-Regel fest Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein An diesen Schulen und Kitas gibt es Corona-Fälle Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Freitag Heute ist für mich wieder Homeoffice-Tag. Das übliche: E-Mails, Gesprächsnotizen, Anträge, Telefonate. Gedanken für die nächste Vorlesungswoche. Ich sollte die Meeting-IDs ändern und neue Passwörter einstellen. Ich denke an meine Lieblingsmomente während vergangener Winter-Vorlesungen. Mein Lieblingswintersemestermoment ist, wenn während meiner Vorlesung die ersten Schneeflocken fallen. „Es schneit!“ Wer es zuerst entdeckt, stupst die Nachbarin an und zeigt nach draußen. Auch ich wende mich um, dann schauen alle. Egal, was gerade dran ist. Ein nahezu feierlicher Augenblick, der uns eint. Es ist nur ein kleiner Moment, aber ich wünsche ihn mir in diesem neuerlichen „Corona-Semester“.