Prozessauftakt: Ex-Liebhaber stach mit dem Messer zu

Die während der Kieler Woche aufgeflammte Liebesbeziehung zwischen einer Studentin (23) und einem jungen Mann ohne Schulabschluss und Berufsausbildung (25) dauerte nur einen Monat. Dann trennt sie sich, „weil er sehr aggressiv und eifersüchtig“ war. Der Abgewiesene setzt sie massiv unter Druck, erzwingt eine angeblich letzte Aussprache. Und sticht bei dem Treffen ihren Begleiter (22) mit einem Messer nieder. Seit gestern muss sich der geständige Angeklagte wegen versuchten Totschlags vor dem Kieler Landgericht verantworten. In der Nacht zum 31. Juli 2019 hatte er dem langjährigen Bekannten seiner Ex-Freundin an einer Bushaltestelle in Gaarden eine zwölf Zentimeter lange Klinge „in den linken Unterbauch gerammt“, so ein Arztbericht. Laut Anklage nahm er dabei den Tod des Opfers billigend in Kauf. Opfer überlebte dank Not-OP: Eine Notoperation rettete das Leben des Nebenklägers, der gegen 4 Uhr morgens auf offener Straße eine vierfache Dünndarmperforation erlitt. Bis heute kann der 22-Jährige keine schweren Lasten heben. Er berichtet von Schmerzen bei Liegestütz und längerem Liegen auf dem Bauch, will aber nicht dramatisieren: „Das geht vorbei, sagt der Arzt.“ Der Zeuge erzählt, die Freundin habe ihn mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt und um Beistand gebeten. „Sie rief mich an und hat geheult. Sie konnte nicht schlafen.“ Der Angeklagte rufe sie die ganze Zeit an, beleidige und erpresse sie mit der Drohung, die vor ihrer türkischen Familie verheimlichte Affäre dem Bruder zu verraten. Beim Treffen an der Werftstraße stach er zu: „Ich habe mich einschüchtern lassen“, bestätigt die Zeugin. Man habe ein letztes Treffen an der Werftstraße vereinbart, bei dem es zum Streit kam. Die Kontrahenten wollen sich vorher nie gesehen haben. Unweit der Esso-Tankstelle sei man sich erstmals begegnet, sagt der Nebenkläger. Ohne Begrüßung habe man sich beobachtet. Das spätere Opfer will den Wortwechsel eröffnet haben. „Was willst du? Zwischen euch ist es vorbei, warum lässt du sie nicht in Ruhe?“ Dann habe der Angeklagte seinen Unterarm entblößt und gezeigt, wie er sich seinen Schmerz über die Trennung in die Haut geritzt hatte. „Ich habe gelacht“, sagt der Zeuge. Der Begleiter wehrte sich mit Fußtritten: Der aus schwierigen Verhältnissen stammende Angeklagte, der sich von seinen Eltern misshandelt und verstoßen fühlt, reagierte wütend und verletzt. „Komm mit mir, schick ihn weg!“, forderte er die Ex-Freundin auf. Doch die Studentin wies ihn ab. „Er fing an mich zu beleidigen, wurde lauter“, sagt sie vor Gericht. Dann seien die Männer aufeinander los. „Ich wollte dazwischen“, berichtet die Frau, „in dem Moment hat er ihn abgestochen.“ Ihr Begleiter habe sich noch mit einem Fußtritt gewehrt und sein durchlöchertes T-Shirt hochgezogen. Sie habe die Stichwunde neben seinem Bauchnabel gesehen und den Notarzt alarmiert. Erst flüchtete er, dann stellte er sich: Der Messerstecher flüchtete zunächst, nahm sich aber nach einer Aussprache mit seinem Bruder einen Anwalt und stellte sich der Polizei. Seitdem sitzt er in U-Haft. Wegen möglicher Alkohol- und Drogenprobleme nimmt auch ein psychiatrischer Sachverständiger am Prozess teil, für den die Schwurgerichtskammer drei weitere Verhandlungstage angesetzt hat. Der Angeklagte bekennt sich zur Tat, hat dem Opfer mindestens 2500 Euro Schmerzensgeld zugesagt und bereits 1500 Euro überwiesen. Seine Worte der Entschuldigung („Ich wollte dich auf keinen Fall verletzen“) überzeugen den Nebenkläger nicht. Bis heute könne er die Tat nicht verstehen, sagt er kopfschüttelnd. „Ich habe nur versucht, meine beste Freundin zu beschützen.“ Weitere Nachrichten aus Kiel finden Sie hier.

Prozessauftakt - Ex-Liebhaber stach mit dem Messer zu