Serientäter lässt sich nicht helfen

Ein Gutachter bescheinigt dem unter Wahnvorstellungen leidenden Serientäter eine paranoide Schizophrenie. Rückfälle, sagt er, seien programmiert. Was tun mit einem aufbrausenden Täter, der sich durch einen „Chip im Körper“ fremdgesteuert fühlt? Der glaubt, seine Ex-Frau könne auf ihrem Handy seine Gedanken ablesen? Wohin mit einem Kranken, der seine quälenden Empfindungen vergeblich mit Alkohol und Cannabis zu dämpfen versucht? Zum Beispiel das Gefühl, Tiere krabbelten durch seinen Körper, Stromschläge brächten sein Herz aus dem Takt. Gutachter: Psychopharmaka könnten helfen: Der psychiatrische Sachverständige Dr. Dr. Bernd Penners hat im Auftrag des Gerichts die langjährige Krankheitsgeschichte des irakischen Kriegsflüchtlings aufgearbeitet. Der Gutachter ist sicher: Psychopharmaka könnten den Mann von seinen Wahnvorstellungen befreien. In den 17 Behandlungsberichten von Ärzten und Kliniken, die seit 2013 geschrieben wurden, gebe es dafür klare Anzeichen. Wiederholt suchte der Angeklagte, der sich gegen organisch nicht erkennbare „Hirnentzündungen“ mit einer bizarren Augenklappe wappnet, freiwillig Hilfe in der Psychiatrie. Doch immer wieder brach er die Therapie gegen ärztlichen Rat ab. Zu seiner zunehmend verfestigten „Verkennungsidee“ gehört die panische Angst vor Medikamenten. Patient spuckte die Mittel wieder aus: Mangels Krankheitseinsicht spucke der Patient die Mittel, die ihm helfen würden, heimlich wieder aus, zitiert der Sachverständige Penners seine Kollegen. „Die Tabletten machen mich kaputt!“ Diese Überzeugung war für den Angeklagten bisher nicht verhandelbar. Nicht einmal befreundete Landsleute, die ihm in seiner Muttersprache gut zureden, können ihn eines Besseren belehren. Doch zur Therapie zwingen kann man den Angeklagten nicht. Eine Unterbringung sei nach dem Gesetz unverhältnismäßig und komme nicht in Betracht, urteilt die Berufungskammer. Dafür seien die Straftaten einfach nicht schwerwiegend genug. Bewährung sei wegen der vielen Vorstrafen und der schlechten Prognose ebenfalls ausgeschlossen. Das sieht auch der Verteidiger so. Hier waren einfache Körperverletzung und teilweise bewaffneter Diebstahl von Zigaretten, Parfüms und Bekleidung angeklagt. Und ein Einbruch in einen Drogeriemarkt, dessen Glastür der Angeklagte im Juli 2019 mit einem Fahrradsattel zertrümmerte. In früheren Verfahren (seit 2004) ging es um das Erschleichen von Leistungen, Beleidigung und Bedrohung. „Das muss die Gesellschaft aushalten“, lautet das Fazit des Rechtsanwalts. Justiz glaubt nicht an erzieherische Wirkung: Kann die Justiz diesen Drehtür-Effekt nicht stoppen? Die Staatsanwältin erinnerte an schwere Bissverletzungen, die der Angeklagte seiner Ex-Frau und ihrem Bruder vor vier Jahren an Arm und Wange zugefügt habe. Sie plädierte dafür, den Fall an eine Große Strafkammer abzugeben, bevor Schlimmeres passiert. Nur sie dürfte eine zwangsweise Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie anordnen. Wird die am Ende wegen eingeschränkter Steuerungsfähigkeit gemilderte Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten den Angeklagten von weiteren Straftaten abhalten? Daran glaubt im Gerichtssaal niemand. Die letzte Hoffnung richtet sich nun auf den gesetzlichen Betreuer des 35-Jährigen, der ihm für die Zeit nach der Haft erneut „eine passende Einrichtung suchen“ soll. Weitere Nachrichten aus Kiel lesen Sie hier.

Psychisch krank - Serientäter lässt sich nicht helfen