Die Fraktionen im Rat fühlen sich ausgebootet. Der Haushalt 2019 war am 13. Dezember im Rat beschlossen worden. „Es hat ja in Kiel schon Tradition, dass der Haushalt sehr spät kommt“, sagt CDU-Fraktionschef Stefan Kruber. So gebe es „keine Waffengleichheit“ zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung. Sein Verdacht: „Die Verwaltung will Ruhe im Karton.“ Kruber: „Ich habe selten erlebt, dass das Knurren darüber so vernehmbar ist.“ Die Kritik kommt diesmal sogar aus der Kooperation. So schildert die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Anke Oetken: „Der Entwurf lag erst vier Wochen vor der Sitzung des Finanzausschusses vor. Das ist deutlich zu wenig Zeit für Ehrenamtliche, um fast 1100 Seiten Material zu lesen, zu verstehen und zu bewerten.“ FDP-Fraktionschefin Christina Musculus-Stahnke fordert, den Entwurf mindestens vier Wochen früher vorzulegen.
Selbst Genossen finden die Vorlage knapp
Selbst Kämpfers Genosse Volkhard Hanns, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, findet die Vorlage Anfang November „sehr knapp“. Zur Form sei zu bemängeln, dass es „keinen Einblick in die Teilpläne“ gebe, „die Sachkonten bleiben intransparent“. Hanns nimmt „seinen“ Oberbürgermeister in Schutz: Die späte Vorlage liege auch an späten Steuerschätzungen. Einen Seitenhieb kann der Finanzexperte den Kollegen im Rat nicht ersparen: „Mit dem nötigen Energieaufwand ist eine detaillierte Einsicht in den Haushalt möglich.“ Insbesondere der Linken, dem SSW und der „Fraktion“ wirft er „eigene Defizite in der Bewältigung der politischen Sacharbeit“ vor.
SSW wünscht sich Bürgerhaushalt wie in Norderstedt
Der CDU-Finanzexperte Ralpf Roick sagt, eine vier bis fünf Wochen frühere Vorlage mache auch eine tiefere Beratung in mehreren Fachausschüssen möglich. „Ein demokratisches Problem“ erkennt der SSW-Fraktionsvorsitzende Marcel Schmidt: „Die Vorlage eines kryptischen Haushalts, der in viel zu kurzer Zeit von uns durchgearbeitet werden muss, erschwert uns die Kontrolle der Verwaltung und damit unsere Hauptaufgabe als demokratisches Korrektiv erheblich.“ Er wünscht sich „Bürgerhaushalte“ wie in Norderstedt: Dort können Bürger die Verwendung einiger Haushaltsmittel im Rat mitbestimmen.
Kämmerer Kämpfer wundert sich über die geballte Kritik. Es gebe seit Jahren ein abgestimmtes Verfahren der Haushaltsaufstellung. Den Vorwurf einer Missachtung der Ratsversammlung weist er entschieden zurück. Der Oberbürgermeister verspricht aber, mit dem künftigen Kämmerer Christian Zierau, der das Amt am 1. Februar antritt, „von Anfang an“ das Haushaltsverfahren neu zu ordnen.