Staatssekretär Christian Lange zieht nach Kiel: "Kommunalpolitik ist Herz der Demokratie"

Sichtlich entspannt betritt Christian Lange zu Jahresbeginn die Redaktion der Kieler Nachrichten. Er erinnert sich, für eine Veranstaltung der Ex-Landesjustizministerin Anke Spoorendonk (SSW, 2021-2017) schon einmal im Großen Konferenzraum gewesen zu sein. Herr Lange, warum Kiel? Christian Lange: Neues Jahr, neues Glück – ich bin aus privaten Gründen hergezogen. Nach sechs Wahlperioden im Bundestag, davon zwei als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, möchte ich etwas Neues anfangen. Was haben Sie beruflich vor? Als Regierungsmitglied muss ich erst einmal 18 Monate "abkühlen". Daneben widme ich mich ehrenamtlich meiner Präsidentschaft in der Deutschen Stiftung für Internationale rechtliche Zusammenarbeit. Werden Sie hier politisch aktiv? Nein. Bis Ende dieser Wahlperiode bleibe ich noch Abgeordneter meines Wahlkreises Backnang – Schwäbisch Gmünd. Aber hier werde ich meinen Kollegen Mathias Stein unterstützen. Viele Politiker hören auf, weil es Anfeindungen gegen sie gibt: Tut Deutschland genug, um sie zu schützen? Wir haben vor Kurzem im Bundestag ein Paket zum Schutz der Demokratie geschnürt, auch der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat dazu gedrängt. Die Spirale von Hass und Gewalt dreht sich. Daher haben wir eine Meldepflicht für bestimmte Straftaten in den sozialen Netzwerken eingeführt. Dieser Hass trifft das Herz der Demokratie – nicht zuallererst uns Politiker in Berlin, sondern die vielen Kommunalpolitiker vor Ort. Was erleben die? Vor Kurzem haben Corona-Gegner in meinem Wahlkreis eine Demonstration vor dem Wohnhaus des Landrats angekündigt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir müssen aufpassen: Denn wir dürfen nicht zuschauen, dass sich wegen solcher Ereignisse engagierte Menschen aus der Politik zurückziehen. Im Strafrecht bedeutet das, dass wir bei übler Nachrede Kommunalpolitiker besser schützen. Im Melderecht können sie ihre Adressen leichter sperren lassen. Was kann die Gesellschaft tun? Wir müssen Gesicht zeigen, Politiker wie Bürger. Das strahlt positiv aus. Und das zeigt allen, die sich engagieren, dass wir sie nicht alleine lassen. Gott sei Dank gibt es viele ermutigende Beispiele. Ist es kein Widerspruch, Adressen zu verbergen – aber Gesichter einzufordern? Damit die schweigende Mehrheit gehört wird, muss der Staat durch Regelungen auch im Strafrecht die Sicherheit gewährleisten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaft zusammenrücken kann. Können Sie eine generelle Politikskepsis als Berufspolitiker also gar nicht bestätigen? Es gibt eher eine Verunsicherung aufgrund zum Teil zu vieler widersprüchlicher Informationen. Diese erreichen uns nicht mehr nur über KN, ARD und ZDF – sondern heutzutage über soziale Medien. Da fällt das Einordnen meist schwerer. Laufen Sie vor der Verantwortung, die Gesellschaft zusammenzuführen, davon? Nein. Ich habe als Jurist einen anständigen Beruf gelernt und will mit Mitte, Ende 50 etwas Neues angehen. Mit der Stiftungspräsidentschaft habe ich ein interessantes Ehrenamt übernommen. Wir unterstützen die EU-Beitrittskandidaten und auf dem afrikanischen Kontinent helfen wir den Ländern bei der Korruptionsbekämpfung und beim Aufbau einer unabhängigen Justiz. In der restlichen Legislaturperiode wollen wir noch gewichtige Themen angehen, wie zum Beispiel Kinderrechte ins Grundgesetz.