Stammzellenspender für Marc Wandel aus Kiel gesucht: "Du siehst, wie die Welt entgleist"

Noch vier Monate. Dann war’s das mit dem Leben. Diese stark vereinfachten Sätze des zuständigen Arztes gehen Lars Wandel (49) nicht mehr aus dem Kopf. Mitte Oktober war’s, als der Onkologe sagt, dass sein älterer Bruder Marc an akuter Leukämie erkrankt ist und damit nicht mehr lange leben wird. Die einzige Hoffnung ist ein passender Stammzellspender. Doch der ist derzeit weit und breit nicht zu finden. Während Marc Wandel am Kieler Universitätsklinikum (UKSH) gerade die zweite Chemotherapie über sich ergehen lässt, versuchen sein Bruder und sein bester Freund alles, um ihn zu retten. Aufrufe bei Facebook und What-App: Es ist regnerisch, grau und nass. Lars Wandel ist aus Schleswig angereist. Das graue Wetter spiegelt genau den Zustand seiner Seele wider. „Eigentlich könnte ich den ganzen Tag nur schreien“, sagt der Elektriker. Vor Wut. Vor Angst. Vor Hilflosigkeit. Zumindest gegen das letzte kann er jetzt ankämpfen. Zusammen mit seinem besten Freund Marco Harmsen (49) setzt er alle Hebel in Bewegung, um den genetischen Zwilling seines Bruders zu finden. „Wir haben auf Facebook und in allen Whats-App-Gruppen Aufrufe gestartet“, erzählt Marco Harmsen, der als Feinwerkmechaniker bei der Kieler Firma Prey arbeitet. Bisher keinen passenden Stammzellspender gefunden: Zum Glück gibt es einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) arbeiten sie eng zusammen. Sogar über einen örtlichen Pizza-Lieferanten haben sie Flyer mit dem Suchaufruf verteilen lassen. „Nur leider hat sich bisher noch kein passender Stammzellspender gefunden“, sagt Lars Wandel und zuckt resigniert mit den Schultern. Als Marc Wandel die Schockdiagnose „Blutkrebs“ bekommt, ist Lars an seiner Seite. „Es war brutal“, sagt Lars Wandel. „Du sitzt als Bruder daneben und siehst, wie die Welt entgleist.“ Er zeigt zwei Fotos von Marc. Mit Border Collie Bo am Strand irgendwo in Dänemark. Das andere Bild wurde an einem herbstlichen Tag beim Spaziergang im Wald aufgenommen. Die Leukämie wurde nur durch Zufall entdeckt: Marc Wandel, der als Krankenpfleger bei den Helios-Kliniken arbeitet, ist ein Kerl von einem Mann. Ein Naturbursche, den so leicht nichts umhauen kann. „Mit der Diagnose hätten wir nie und nimmer gerechnet“, sagt Lars Wandel. Wegen Magen-Darm-Problemen sei sein Bruder im Oktober zum Arzt gegangen. „Die Leukämie wurde da dann zufällig als sogenannter Beifang entdeckt, weil die Blutwerte nicht stimmten.“ Eineinhalb Jahre sind die beiden Brüder nur auseinander. Vielleicht erklärt das die große Nähe. Denn bisher gehen die beiden irgendwie immer Seite an Seite durchs Leben. Sie renovieren alte Häuser zusammen. Erst das von Marc, dann das von Lars. Sie teilen die Liebe zur Musik, lassen es beim Wacken-Open-Air jahrzehntelang ordentlich krachen und fahren gemeinsam in den Urlaub – meist mit dem Wohnwagen immer Richtung Meer. Mit dabei ist oft auch Marco Harmsen, der Freund aus Kindertagen. Typisierungsaktionen durch Corona nicht möglich: Doch das scheint gefühlt Jahrhunderte her. Der Alltag mit Krebs hat jetzt alles im Griff. „Marc bekommt gerade die zweite Chemo“, sagt Marco Harmsen. „Jeden zweiten Tag fahr ich zum UKSK, und wir telefonieren vor seinem Zimmerfenster im Erdgeschoss. So sehen und hören wir uns wenigstens.“ Ein Besuch ist wegen Corona nicht möglich. Genauso wenig wie große Typisierungsaktionen, die helfen könnten, einen geeigneten Spender zu finden. Lesen Sie auch: Corona-Bekämpfungsverordnung beschlossen: Garg informiert über verschärfte Corona-Regeln Schulen und Kitas im Lockdown: Das müssen Eltern jetzt wissen Aktuelle Zahlen und Grafiken: So entwickelt sich das Coronavirus Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. Eine große Hoffnung setzen die beiden nun auf die KN-Leser. „Je mehr Menschen sich registrieren lassen, desto mehr Chancen bestehen für meinen Bruder, zu überleben“, sagt Lars Wandel. Bereits seit sieben Jahren finden sich seine eigenen Daten in der Knochemarkspender-Datei. „In einer großen Zeitung hatte ich mal einen Bericht über eine Erkrankte gelesen. Das hatte mich damals sehr berührt.“ Mit dem eigenen Blut zum Lebensretter werden: Auch Marco Harmsen ist schon längst bei der DKMS registriert. Als vor 22 Jahren ein Kind in Büdelsdorf an Blutkrebs erkrankte, wollte er unbedingt helfen. Da war er selbst gerade Vater geworden. Bisher hat noch niemand ihre Stammzellen gebraucht. Aber sie stünden sofort bereit, wenn es denn passen würde. „Mit dem eigenen Blut zum Lebensretter werden, ist doch eine tolle Sache“, sagt Lars Wandel und hofft, dass ganz viele andere Menschen das auch so sehen. Er selbst passt zu seinem großen Bedauern von den Gewebe-Merkmalen nicht für seinen Bruder. Auch, wenn die beiden im Herzen Zwillinge sind und im Leben noch so viel vorhaben. „Wenn Marc wieder gesund ist, geht es mit dem Wohnmobil in die Normandie. Das war immer sein großer Traum.“ So können Sie Marc Wendel helfen: Unter dem Stichwort „ Nordlicht “ hat die DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) einen eigenen Registrierungslink für Marc Wandel eingerichtet. Helfen kann jeder gesunde Mensch im Alter zwischen 17 bis 55 Jahren. Unter www.dkms.de/nordlicht kann man sich ein kostenloses Registrierungsset nach Hause bestellen. Das besteht aus drei Wattestäbchen, mit denen man selbst einen Abstrich von der Wangenschleimhaut machen kann. Anschließend werden die Proben per Post zurück zur DKMS geschickt, damit im Labor die Gewebemerkmale bestimmt werden können. Es entstehen keine Kosten und auch keine weiteren Verpflichtungen. Sollten die Daten mit einem Erkrankten übereinstimmen, kann man sich nach einem Informationsgespräch immer noch frei entscheiden, ob man zum Lebensretter werden will. In 80 Prozent der Fälle erfolgt die Entnahme der Stammzellen aus dem Blut, bei 20 Prozent der Fälle ist eine Spende aus dem Knochenmark nötig. Wer im Corona-Jahr an Blutkrebs erkrankt, so wie Marc Wandel, hat es gleich doppelt schwer. Derzeit gibt es keine öffentlichen Veranstaltungen zur Registrierung. Dadurch ist die Zahl der Neuregistrierungen nach Aussagen der DKMS um 60 Prozent zurückgegangen. Auch an Spenden aus anderen Teilen der Welt zu kommen, ist aufgrund von geschlossenen Grenzen und Flugausfällen extrem schwierig und logistisch aufwendiger. In Deutschland sind mehr als zehn Millionen Menschen als potenzielle Spender bei der DKMS registriert, davon 285.200 Menschen in Schleswig-Holstein. Neben Deutschland ist die DKMS in den USA, Polen, UK, Südafrika und Chile aktiv. Mit Indien besteht eine Partnerschaft.