Stealthing: OLG kippt Kieler Freispruch

Mit dem Urteil am Freitag (Az. 2 OLG 4 Ss 13/21) kippte der 2. OLG-Senat ein Urteil des Kieler Amtsgerichts, das im November einen 39-Jährigen vom Vorwurf des sexuellen Übergriffs freigesprochen hatte. Laut mündlicher Begründung des Vorsitzenden erfüllt der verhandelte Sachverhalt „grundsätzlich den Straftatbestand des sexuellen Übergriffs“. Angeklagter entschuldigte sich mehrfach vor Gericht: Die Anwältin des als Nebenklägerin am Prozess beteiligten Opfers (31), Kerstin Bartsch, nannte die OLG-Entscheidung einen „tollen Erfolg“. Sie hatte ebenso wie die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen den Freispruch eingelegt. Ihre Mandantin habe dem Geschlechtsverkehr ausdrücklich nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der Angeklagte ein Kondom verwende. Lesen Sie auch: So lief der Stealthing-Prozess am Kieler Amtsgericht Diese Vereinbarung hatte der 39-Jährige selbst vor Gericht eingeräumt. Er schilderte das Abstreifen des Kondoms als Versehen und entschuldigte sich mehrfach. Nach dem Schleswiger Urteil kann ungeschütztes Eindringen auch dann als sexueller Übergriff strafbar sein, „wenn das Opfer das Fehlen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs nicht bemerkt“. Kieler Amtsgericht sah im "Stealthing" keine Straftat: In erster Instanz hatte ein Kieler Strafrichter das Verhalten des Angeklagten als „ganz erheblichen Vertrauensbruch“ bezeichnet, der jedoch objektiv nicht strafbar sei. Das Gesetz, so seine Begründung, kenne keinen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, der strafbar ist. Auf die Art und Weise der Ausführung komme es nicht an. Dem widersprach damals die Anwältin des Nebenklägerin: Der Angeklagte, der sich im Prozess selbst als „triebgesteuert“ outete, habe seine sexuelle Befriedigung über die Schutzbedürfnisse ihrer Mandantin gestellt. Den Freispruch nannte die Kieler Strafrechtlerin „ein ganz fatales Signal“ und legte Rechtsmittel ein. Fall in Berlin endete mit Verurteilung: Die Staatsanwaltschaft hatte im Kieler Prozess neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 2000 Euro Geldbuße wegen eines sexuellen Übergriffs gefordert. Rechtsanwältin Bartsch hält ein Schmerzensgeld in dieser Höhe für angemessen. Somit wird der letzte Akt der damals nur locker befreundeten Sex-Partner vom 5. März 2018 die Justiz noch weiter beschäftigen. Lesen Sie auch: So lief der Stealthing-Prozess in Berlin Eine erste obergerichtliche „Stealthing“-Entscheidung der deutschen Justiz stammt aus Berlin. Dort verurteilte das Kammergericht im Juli 2020 einen Polizeibeamten (37), der gegen den Willen seiner Partnerin das Kondom abgezogen hatte, zu sechs Monaten auf Bewährung und 3000 Euro Schmerzensgeld. Das Opfer, eine junge Polizeimeisteranwärterin (20), bemerkte die Tat erst, nachdem der Angeklagte schon in ihr ejakuliert hatte.

Stealthing: OLG kippt Kieler Freispruch - Mann zog Kondom beim Sex ab