Streckenerkundung: Wo die Stadtbahn in Kiel einmal fahren könnte

Treffpunkt Belvedere-Kreuzung: Nils Jänig und Ingolf Berger kommen mit Klapprad und Sprottenflotte. Hier liegen die letzten Schienen der Kieler Straßenbahn – einem Wendekreis nachempfunden. Rambøll-Projektleiter Jänig und Berger, der für die Variantenuntersuchung verantwortlich zeichnet, wollen aber in die Zukunft schauen. Sie starten mit ersten Begehungen der Kieler Stadtteile derzeit die Trassenstudie, die in zwei Jahren die Antwort auf zwei entscheidende Fragen ermöglichen soll: Welches System soll durch Kiel fahren, also eine Tram oder ein Schnellbussystem auf eigener Trasse, und wo überhaupt? Wie lässt sich die Stadtbahn in den Straßenraum integrieren? „Wir sind noch ganz am Anfang“, bremst Berger. Der Fachmann aus Berlin freut sich auf den nördlichsten Kieler Stadtteil, der innerhalb der angedachten Korridore geprüft wird. „Das beste Luftbild, der beste Plan kann den Eindruck vor Ort nicht ersetzen.“ Dafür ist die Belvedere-Kreuzung ein gutes Beispiel: Hier fuhr die Straßenbahn einst über die Holtenauer Straße. Wie alte Videos zeigen, war sie dabei häufig in die Straße integriert, oft gab es nicht einmal bauliche Haltestellen. Für die neue Stadtbahn ist das Gegenteil geplant. „Es gilt grundsätzlich: Die Trasse soll zweispurig und auf eigenem Bahnkörper führen“, erklärt Jänig. Bis vor Kurzem erlaubte das Bundesfördergesetz sogar ausschließlich hervorgehobene Spuren. Jetzt darf in Ausnahmen abgewichen werden: So zeigt ein Blick von der Kreuzung nach Süden im Querschnitt viel Straßenraum, nach Norden wird es aber deutlich enger. Das könnte ein Anlass sein, Bus oder Bahn kurzfristig auf die Straße zu führen und mit einer sogenannten Pförtnerampel zu arbeiten, die Bus oder Bahn eher starten lässt, so Berger. „Man kann heute eine moderne Tram sehr gut in den Straßenraum integrieren.“ „Eine Stadtbahn braucht volle Priorität": Anhand dieses Beispiels beschreiben die Experten ihre Anforderung: „Eine Stadtbahn braucht volle Priorität. Der Fahrgast muss das Gefühl haben: Hier bin ich am schnellsten“, sagt Jänig. Aber: „Der innerstädtische Platz ist endlich.“ Und es gibt gewisse Ziele, wie die Bäume entlang der Korridore zu erhalten und den künftigen Ausbau des Netzes schon mitzudenken. Aus dem Eindruck, den harten Fakten und den Anregungen der Menschen aus Stadtteilforen und Online-Beteiligung machen sich die Planer ihre Gedanken. Und die klingen erst einmal positiv: „Straßenquerschnitte sind in anderen Städten im Vergleich zu Kiel deutlich enger“, sagt Jänig. Auch die Verlagerung von Verkehr scheint aus ihrer Sicht in Kiel möglich – Feldstraße, Holtenauer Straße, Westring, B 76, sie alle führen in gewisser Weise parallel. Die Planer führt der heutige Weg die Holtenauer Straße herunter bis zur Kreuzung mit Elendsredder und Mercatorstraße. Lesen Sie auch: Stadtbahn in Kiel: Jetzt geht es an die Trassenplanung Hier schildern Jänig und Berger angesichts der existierenden Bushaltestellen weitere Herausforderungen in der Planung: Sind BRT oder Tram priorisiert, also können sie Grün anfordern, ist eine Haltestelle vor einer Kreuzung schwieriger. Denn das Ein- und Aussteigen kann auch einmal länger dauern, was die Ampelphasen durcheinander bringt. Grundsätzlich seien aber Kreuzungen als Haltepunkte ideal, da dort Geschäfte und Leben sind, so Berger. Abgebogen in die Feldstraße, die ebenfalls zu dem Prüfungskorridor gehört, der Innenstadt und den Norden Kiels verbindet: Hier gelten andere Bedingungen als in der Holtenauer Straße. Weniger Geschäfte, im Norden eine weniger dichte Bebauung – das können Vor- und Nachteile für eine Stadtbahntrasse sein. Grundsätzlich wollen die Planer daher alles betrachten. „Auch das Unmögliche schauen wir uns an“, sagt Berger. Keine Entscheidung für oder gegen einzelne Straßenzüge, sondern für oder gegen ein System : In jedem Fall ginge es ihnen darum, trotz des neuen Verkehrsmittels den Charakter der Straße zu wahren. Und sie halten fest: Grundsätzlich planen sie für BRT und Straßenbahn dieselben Routen, damit nachher keine Entscheidung für oder gegen einzelne Straßenzüge, sondern für oder gegen ein System fällt. Und so geht es nördlich des Anscharparks in das Maritime Viertel, wo es erst sehr eng bebaut ist, was eine eigene Trasse erschweren könnte. Aber hier finden die Planer in der sehr weiträumigen Herthastraße auch den ehemaligen Straßenbahnkiosk und schlagen sich schließlich über den Wiker Balkon zum früheren Start- und Endpunkt der Linie 4 in der Schleusenstraße durch. Dort endete einst die Kieler Straßenbahnhistorie – und egal wo, soll sie ergebnisoffen wieder aufleben. Das wünscht sich Planer Ingolf Berger, als er sagt: „Eine Straßenbahn kann die Stadt zusammenführen.“ Ihre nächsten Schritte: Die Kriterien für die Trassen mit der Stadt abstimmen und dann Schritt für Schritt zum 34,5 Kilometer langen Kernnetz kommen, das dies letztlich ermöglichen soll.