Studieren in Kiel: Wenn der Nebenjob plötzlich wegfällt

Wenn Nils Fischer normalerweise auf seiner Blechflöte spielt, steht er auf einer Bühne, blickt dabei in die Augen begeisterter Festivalbesucher und ist von seinen Bandmitgliedern umgeben. Momentan ist es nur seine Kamera, die ihm auf einem Stativ gegenübersteht und ihn für seinen Youtube-Kanal im WG-Zimmer aufnimmt. Ob als Kellner im Restaurant oder Teilzeitkraft im Kino: Sie alle können zurzeit in Kiel nicht arbeiten : Der Elektrotechnik-Student aus Neumühlen-Dietrichsdorf ist seit zwei Jahren Flötist in der norddeutschen Mittelalterband „Forgotten North“. Doch seit Januar hatte er nur ein einziges Konzert. Kein Nebenjob, kein Geld und die Frage „Wie finanziere ich mir jetzt mein Studium?“. So wie ihm geht es einem Großteil der Studenten, die als Mini- oder Nebenjobber in Branchen tätig sind, die vom aktuellen Teil-Lockdown betroffen sind. Ob als Kellner im Restaurant, Aushilfe im Fitnessstudio oder Teilzeitkraft im Kino: Sie alle können zurzeit nicht arbeiten und wurden teilweise entlassen. Lesen Sie auch: Nicht alle Studenten wollen unbedingt in Kiel wohnen Für Nils Fischer ist es mehr als ein Nebenjob: „Die Band war die Haupteinnahmequelle neben meinem Studium. Wir hatten jährlich etwa dreißig Konzerte auf diversen Mittelalter-, Stadt- und Kulturfestivals. Fast jedes zweite Wochenende waren wir unterwegs zu einem Auftritt. Wenn so etwas auf einmal wegfällt, ist das nicht nur finanziell eine Belastung, sondern auch sehr traurig für uns als Musiker. Wir lieben, was wir tun“, sagt der 24-Jährige. Er und seine Bandkollegen reagierten relativ zügig auf die neue Situation und verlagerten den Schwerpunkt auf ihr Online-Geschäft. „Wir versuchten sofort, auch ohne Veranstaltungen Geld zu verdienen und verkauften weiterhin Merchandise über unseren Online-Shop. Doch auch da haben wir mittlerweile ein Problem: Je weniger wir verdienen, desto weniger Artikel können wir produzieren“, sagt der Fachhochschulstudent. Das Campusradio der FH Kiel und sein Kindergeld seien momentan die einzigen Einkünfte. Corona an Schulen: Erlass soll Quarantäne-Wirrwarr beenden Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein An diesen Schulen und Kitas gibt es Corona-Fälle Aktuelle Statistik: So viele Corona-Infizierte gibt es in Schleswig-Holstein Weitere Informationen zum Coronavirus erhalten Sie auf unserer Themenseite. „2021 will ich wieder für jubelnde Festivalbesucher spielen": „Glücklicherweise unterstützen mich meine Eltern, wenn es finanziell eng wird. Außerdem habe ich vor meinem Studium schon etwas gearbeitet und ein paar finanzielle Rücklagen.“ Nils Fischer sagt, trotz dessen auf vieles verzichten zu müssen. Zum Leben brauche er im Monat 400 Euro. „Auch andere Nebenjobs sind momentan sehr schwer zu bekommen und wenn, nur für einen Hungerlohn. Der Jobmarkt für Studierende ist ein Haifischbecken“, erläutert er seine aktuelle Lage. Die Hoffnung, bald wieder auftreten zu können, habe er noch nicht verloren, auch wenn er besorgt in die nähere Zukunft blicke: „2021 will ich wieder für jubelnde Festivalbesucher spielen, statt nur für die Zuschauer meines Youtube-Kanals, die zu Hause vor ihren Laptops sitzen.“ Leo Fröhlich sitzt in Gaarden-Ost ebenfalls vor seinem Laptop. Statt des YouTube-Kanals von Nils Fischer, verfolgt er regelmäßig diverse Jobplattformen. Auch der 24-Jährige ist auf der Suche nach einer neuen Stelle. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate. „Schon im ersten Lockdown habe ich meinen Nebenjob als Kellner verloren. Als ich im Sommer endlich wieder eine Stelle in der Gastronomie gefunden hatte, dauerte es nur ein paar Monate bis zur erneuten Entlassung.“ Vor drei Wochen habe er per E-Mail erfahren, dass er nicht weiter im Restaurant arbeiten könne, so der Geschichtsstudent der Christian-Albrechts-Universität. „Es hat die ganze studentische Belegschaft getroffen. Wir wurden dann noch zu einer Info-Veranstaltung gebeten, in der sie uns die Situation ausführlicher erklären wollten. Darauf habe ich dann aber verzichtet. Die entscheidende Nachricht kannte ich ja“, erzählt er. Lesen Sie auch: Keine Ersti-Partys in Kiel? So kann man trotzdem neue Leute kennenlernen Vor Corona hielt Leo Fröhlich die Gastronomie immer für eine sichere Branche. Flexible Arbeitszeiten, verhältnismäßig guter Lohn und Kontakt mit den Gästen. Für ihn gute Gründe, sich als Kellner zu bewerben. „Das Schöne in der Gastronomie ist, dass man schnell genommen wird, wenn man ein bisschen was kann und offen auf Menschen zugeht.“ Fünfzehn bis zwanzig Stunden in der Woche habe er in der Forstbaumschule gearbeitet und etwa 500 Euro im Monat verdient, um seine Miete zahlen und sein Leben finanzieren zu können. „Das ist jetzt vorbei und ich versuche zu sparen, wo ich kann. Sollten die Beschränkungen noch länger gehen und ich im Dezember keinen neuen Job finden, wird es hässlich. Daran will ich im Moment aber noch nicht denken.“ Rücklagen, auf die Leo Fröhlich jetzt zurückgreifen könnte? Fehlanzeige. Sorgen mache er sich trotz allem aber noch nicht. „Die Situation wird auch nicht besser, wenn ich mir permanent den Kopf über meine Zukunft zerbreche.“, erklärt der 24-Jährige. Ob er allerdings erneut in die Gastronomie gehe, sei für ihn unklar. Die Voraussetzungen haben sich verschoben. „Ein Nebenjob mit Option auf Home-Office wäre ganz gut.“